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Weihnachten mit Mama

Weihnachten mit Mama

Titel: Weihnachten mit Mama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thanner
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wahrlich einer Siebenschön-Weihnacht würdig.
    »Dieses verfluchte Miststück …«, begann mein Vater wieder, als er sich den imaginären Staub aus der Kleidung klopfte. Aber er brach unvermittelt ab, als er sah, dass Mama im Türrahmen stand und die Hände rang, als sei sie auf der Bühne einer Boulevardkomödie.
    »Fritz, ach Fritz … ja, sag nur …«
    »Ja, ich sag dir nur …«
    »Was denn Fritz, was denn?«
    »Ach, der Baum, den du dir da ausgesucht hast …«
    »Den wir zusammen ausgesucht haben …«, korrigierte Mama.
    Papa warf ihr einen vernichtenden Blick zu, als sei es unfassbar, dass die Delinquentin sich nicht zu ihrer frevelhaften Tat bekannte. Er schnaubte nur verächtlich, was wiederum meine Mutter auf die Palme brachte.
    »Also, wirklich, Fritz … wenn du es nicht allein schaffst, diesen Baum aufzustellen, dann müsst ihr es eben zu zweit machen …« Damit rauschte sie hinaus, nicht ohne mir einen finsteren Blick zuzuwerfen, als träfe mich eine gehörige Mitschuld an diesem Desaster.
    Papas Zorn jedenfalls war mit einem Mal verraucht. Er holte einmal tief Luft und entließ sie mit einem weiteren Schnauben.
    »Was meinst du, Johannes?«, fragte er mit einem unsicheren Blick.
    »Wird schon, Papa«, sagte ich nur. »Wir werden den schon senkrecht kriegen. Aber wir brauchen einen anderen Baumständer, das steht mal fest.«
    »Der hat doch jahrzehntelang funktioniert«, wandte Papa kleinlaut ein.
    »Aber nicht bei einem Baum dieser Größe«, erwiderte ich und wies auf die Riesentanne, die in diagonaler Position quer durch das gesamte Wohnzimmer lag. Wie durch ein Wunder hatte sie nichts mit zu Boden gerissen, sondern war gleichsam strategisch günstig gefallen. Eine intelligente Weihnachtstanne.
    »Wo sollen wir denn jetzt noch einen neuen Ständer herbekommen?«
    »Kaufen … vielleicht … für Geld?« Ich flüchtete in Sarkasmus. »Wir müssen investieren, Papa«, fügte ich hinzu und zitierte damit einen seiner Lieblingssprüche, unser Familienunternehmen betreffend, in dem auch immer etwas »investiert« werden musste, bevor man die Früchte des Erfolgs genießen konnte.
    Er warf mir ein schiefes Grinsen zu, die Anspielung hatte er verstanden. Der alte Unternehmergeist regte sich in ihm. Er schlug sogar die Hände zusammen und rieb sie sich energisch, wie er es immer tat, wenn es sich aufzuraffen galt, um große Taten zu vollbringen.
    »Genau!«, rief er. »Wir brauchen einen neuen Ständer. Jetzt. Sofort. Das ist mal das Allererste.« Dann blickte er die Tanne an wie Käpt’n Ahab Moby Dick: »Und du … du stellst dich da hin«, er wies in die Ecke, »und stehst wie eine Eins, hast du verstanden?«
    Niemand erwartete, dass der Baum eingeschüchtert mit dem Wipfel nickte … obwohl: Überrascht hätte es mich nicht.
    Papa war schon in den Flur gestürmt, hatte den Mantel angezogen, Schal, Handschuhe und griff sich den dunkelgrauen Filzhut, den er sich vor Urzeiten einmal in Oberstdorf gekauft hatte, in seligen Zeiten, als er mit Mama noch das Fellhorn hinabgeflitzt war. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass dieses Relikt noch in aktiven Diensten war.
    Er setzte sich den Hut auf, strich die Krempe glatt, rückte ihn dann auf dem silbernen Haarschopf in die richtige Position, ein bisschen schief, ein wenig verwegen. Oberförster Siebenschön im Forsthaus Falkenau, der in der hereinbrechenden Dunkelheit des Spätnachmittags mit seinem Hilfsförster Johannes aufbrach, um den Wald zu retten.

10
    Das habt ihr ganz prima gemacht, Jungs!
    U m es kurz zu machen: Weihnachten war ausverkauft. Natürlich nicht der neumodische Krimskrams, den irgendwelche Trendscouts als den letzten Schrei ausgerufen hatten – der lag stapelweise und kämpfte um den Titel »Ladenhüter des Jahres«. Es gab auch noch Christbaumschmuck, Girlanden, Lichterketten und anderes aus der Abteilung »Turbodekoration in Massen«. Doch ein halbwegs qualifizierter Baumständer, der einem nicht »Stirb langsam!« entgegenröchelte, war nicht aufzutreiben. Nirgends.
    Verdrossen stapften wir durch das Schneetreiben, zunächst über den Weihnachtsmarkt, dann von Kaufhaus zu Kaufhaus, aber überall gab es – wenn überhaupt – nur noch diese kleinen putzigen Halterchen in der Saisonfarbe Grün. Ein großes gusseisernes Exemplar, geeignet, den Baum aller Bäume in festen Griff zu nehmen, sahen wir nirgendwo.
    Resigniert blickten wir uns an. Papa hob die Schultern und lotste mich dann wieder zurück auf den Marienplatz. Wir stärkten

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