Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weihnachten mit Mama

Weihnachten mit Mama

Titel: Weihnachten mit Mama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thanner
Vom Netzwerk:
an die Nase froren.
    Es ist ein ungeschriebenes Gesetz an Münchner Taxiständen, dass Fahrgäste sich in den ersten Wagen der Reihe setzen. Jede Zuwiderhandlung hat ein Gehupe und Geschreie zufolge, dass einem angst und bange werden kann. Ich habe schon Pöbeleien und Rempeleien unter den Taxifahrern erlebt, die sich ihrer natürlichen Rechte beraubt sahen. Vielleicht ist das in anderen Städten anders, und es herrscht mehr Toleranz und Nachsicht, in München muss man auf alles gefasst sein.
    Noch bevor Papa den Taxistand erreicht hatte, wusste ich, was er vorhatte. Er würde sich den kräftigsten aller Fahrer heraussuchen und dessen Wagen nehmen. Leider wollte es der Zufall nicht, dass es gleich der erste Wagen der Reihe war. Wäre auch zu schön gewesen. Mein Vater schritt die Phalanx ab wie ein römischer Feldherr und lugte in jeden Wagen. Und aus jedem Fenster blickte ihm ein verfrorenes Gesicht entgegen.
    Der Ärger war also vorprogrammiert, als er ein Prachtexemplar von Taxifahrer – was Statur und Gewicht anging – im achten Wagen entdeckte. Was bedeutete, dass die sieben Wagen vor ihm das Nachsehen hatten. Noch waren die Taxler nur misstrauisch, als der Fahrer im achten Wagen das Fenster herunterkurbelte – es konnte ja sein, dass der Oberförster nur nach dem Weg fragte. Doch sie waren auf der Hut; zwei von ihnen stiegen vorsichtshalber schon mal aus und schlugen ihre Mantelkragen hoch. Showdown!
    Dann das Signal zum Angriff. Mein Vater winkte mir zu und bedeutete mir, dass es dieser Wagen sein sollte. Als ich mich in Bewegung setzte, stiegen zwei weitere Taxifahrer aus. Mir war augenblicklich klar, worauf das hinauslaufen würde, und ich beeilte mich einzusteigen. Vorn. Hinten im Fond hatte Papa Platz genommen und schwungvoll die Tür zugeworfen.
    »Grüß Gott«, sagte ich artig zu dem Fahrer.
    »Wenn ich ihn treffe«, parierte der Fahrer mit einem alten, müden Witz, der auch nach Jahrzehnten im Koma nicht mehr wiederbelebt werden konnte. Ich schaute mir den Taxler genau an. Und hätte – wenn ich einen aufgehabt hätte – den Hut vor Papas Einschätzung gezogen. Er war genau der Richtige. Wenn es einer schaffen konnte, dann er. Ein Riese von Mann, sein Kopf stieß an die Wagendecke, sein Bauch von der Größe eines Zehn-Liter-Fässchens klemmte das Lenkrad fest, seine Arme waren dick wie Baumstämme in einem Märchenwald, die Hände Schaufeln, mit denen man in null Komma Josef die größte Sandburg von Norderney hätte bauen können. Und dazu das Outfit – très chic . Ein rotkariertes Schottenhemd in einer Jacke, Cordhosen, Trekkingschuhe. Der Mann war perfekt, in jeder Hinsicht.
    »Wo soll’s denn hingehen?«, raunzte Zweihundert-Kilo-Schottenhemd. Aber noch bevor Papa oder ich ihm eine Antwort geben konnte, wurde mächtig aufs Dach geklopft.
    »Hey, Kollege, mal was von Reihe gehört?« Die vier Taxifahrer schienen sich einen Anführer gewählt zu haben, der eine Stimme wie Schmirgelpapier hatte und Zweihundert-Kilo-Schottenhemd durch eine Handbewegung bedeutete, das Fenster herunterzudrehen.
    »Mach dich vom Gehöft«, antwortete dieser mit aufreizender Lethargie.
    »Ne, ne … so kommsse hier nich davon.«
    » Was iss ?« Es gelang dem wunderbar Übergewichtigen, zwischen dem »W« und dem »s« ein Crescendo anschwellen zu lassen, sodass man den Eindruck bekam, ein Tornado rolle heran. Und er ließ es sich nicht nehmen, die Tür aufzumachen, mit einer Behändigkeit, die niemand ihm zugetraut hätte, vom Sitz zu schwenken und sich zu voller Größe aufzurichten. Und wenn ich Größe sage, dann meine ich Größe. Zweihundert-Kilo-Schottenhemd überragte den schon stattlich gebauten Beschwerdeführer um mehr als einen ganzen Kopf.
    Die Geschwindigkeit, mit der sich der Riese entfaltet hatte, imponierte auch den anderen Taxifahrern. Sie wichen sogar einen Schritt zurück, als müssten sie befürchten, dass Bud Spencer sie gleich mit ein paar seiner gefürchteten Kopfnüsse zu Boden streckte.
    »Is Reihe hier«, winselte der Sprecher und machte eine entschuldigende Handbewegung, mit welcher er auf die Wagen vor uns wies.
    »Is klar … Reihe …«, entgegnete der Bär nun erstaunlich friedfertig. »Weiß ich doch.« Er tätschelte dem Sprecher auf die Schulter. Vermutlich würde dieser gleich zum Chiropraktiker gehen müssen, um sie sich wieder einrenken zu lassen. »Is aber Notfall, verstehste. Die beiden Herren brauchen mich. Mit dir «, er tippte dem anderen vor die Brust, und fast erwartete

Weitere Kostenlose Bücher