Weihnachten mit Mama
so«, wiegelte Mailberger ab. »Gute Ware hat ihren Preis. Niemand weiß das besser als du!«
»Papa, nimm ihn!«, drängte ich.
Mein Vater fixierte den Ständer von allen Seiten, beugte sich hinab und examinierte ihn mit einer Sorgfalt, als sei er von der Bundesprüfstelle. Dann richtete er sich wieder auf und nannte den halben Preis.
»Keine Chance, Fritz«, reklamierte Mailberger prompt. »Ich verkaufe nichts unter Wert. Nicht einmal dir.«
»Papa«, drängelte ich. »Wir sind nicht auf dem Basar. Gib ihm das Geld!«
»Intelligenter Junge«, lobte Mailberger und lächelte sardonisch.
Papa nannte den Dreiviertelpreis.
Mailberger stöhnte auf. »Na, schön, weil Weihnachten ist. Fünfzig Euro weniger, und er gehört dir. Für alle Zeit.« Er hielt ihm die Hand hin.
»Na, schön … wegen der alten Zeiten«, sagte Papa schließlich und schlug ein.
»Wegen der alten Zeiten!«, bestätigte Mailberger. »Soll ich ihn als Geschenk einpacken?« Sein Grinsen erschien mir arglistig, doch ich schöpfte keinerlei Verdacht, was ihn so erheitern mochte.
»Wir nehmen ihn gleich so«, beeilte ich mich, wie um Papa zuvorzukommen, dass er es sich nicht noch anders überlegte. Aber mein Vater wickelte das Geschäft schon ab, zählte Mailberger die Scheine dahin wie ein Consigliere dem Mafiaboss die Abendkasse eines zweifelhaften Etablissements.
Doch dann geschah es.
Ich bückte mich, wollte den Ständer nehmen, schwungvoll, wie es meine Art ist, und verlor prompt das Gleichgewicht. Trotz des Schwungs hatte sich das Eisenteil nicht einen Millimeter bewegt. Dafür hatte ich mich bewegt, mehr als mir lieb war sogar, und mich auf den Allerwertesten gesetzt.
»Johannes, also wirklich …« Mailberger gluckste. »Du musst dich mir nicht aus Dankbarkeit zu Füßen legen!«
»Blödsinn, Dankbarkeit«, sagte mein Vater und griff mit beiden Händen zu, als wolle er mir beibringen, wie man mit solchen Qualitätserzeugnissen aus uralten Zeiten umging. Doch auch ihm gelang es nicht, den Ständer zu bewegen, geschweige denn, ihn hochzuheben.
»Herrje, Felix … hast du den am Boden festgedübelt?«
»Wo denkst du hin, Fritz … er ist nur … ein bisschen schwer.«
»Ein bisschen schwer.« Papa schnaubte grimmig. »Na, dann heb du ihn doch mal hoch!«, forderte er seinen Freund auf, als sei dies sozusagen in der Garantie inbegriffen.
» Ich krieg den nicht da weg«, sagte Mailberger, der keinerlei Anstalten machte, uns zu helfen. »Bandscheibe, du verstehst.«
»Was soll das heißen … du kriegst ihn nicht da weg? Wirst ihn ja wohl dahin gestellt haben.«
»Er wurde gebracht … ich hab ihn bezahlt … dann hat man ihn mir dahin gestellt. Und da steht er nun … seitdem.« Er hüstelte.
»Na, schön … dann zu dritt!«, befahl Papa. Mailberger zuckte mit den Schultern, ich straffte mich, und sechs Hände griffen sich den Baumständer, als gelte es, einen Rekord im Triple-Gewichtheben aufzustellen.
Der Ständer bewegte sich. Tatsächlich, er bewegte sich. Um ziemlich genau einen Zentimeter. In die Höhe bekamen wir ihn nicht, nicht einmal einen Millimeter.
»Und wie sollen wir ihn jetzt nach Hause bekommen?«, fragte ich. »Ins Taxi? Die Treppen hoch?«
»Keine Ahnung«, sagte Mailberger.
Trotz der ernüchternden Kaufverhandlungen war die beflügelnde Wirkung des Enzians und der anderen massiven Alkoholika keineswegs verrauscht. Nachdem Papa in die Hocke gegangen war und seine Neuerwerbung eine Zeit lang fixiert hatte, als wolle er ihr ein Geheimnis entreißen, richtete er sich auf.
»Es ist wie im Geschäftsleben«, verkündete er sibyllinisch. »Wir brauchen einen Hebel.«
Eine seiner Weisheiten: Für alles, was du nicht selbst richten kannst, brauchst du einen Hebel.
»Komm, Johannes«, sagte er und wandte sich zur Tür.
Ich stieß die Luft aus, die ich wohl eine Zeit lang angehalten haben musste, und folgte ihm hinaus in den Schnee, der so dicht aus dem Abendhimmel auf die Straße fiel, als wollte er mit großer Geste über alles den Schleier des Vergessens ziehen.
Mit ausladenden Schritten ging mein Vater fürbass – ich liebe dieses Wort! Er hatte den Hut tief ins Gesicht gezogen und trotzte den Schneeflocken, die über uns hinwegflüsterten und im Licht der Straßenlaternen wirbelnde Tänze aufführten. Es war nicht weit, nur zwei, drei Ecken, dann war er da, wo er hinwollte: am Taxistand. Zehn Wagen standen in einer Reihe und warteten auf Kundschaft, die Motoren waren an, damit den Fahrern keine Eiszapfen
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