Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weihnachten mit Mama

Weihnachten mit Mama

Titel: Weihnachten mit Mama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thanner
Vom Netzwerk:
uns an einem der Weihnachtsmarktstände mit Punsch, erst Kirsche, dann sogar Eierlikör. Dann ein Glühwein, dann ein Jagertee, dann ein Enzian. Mir wurde warm und weihnachtlich ums Herz, und Papas Augen begannen zu schwimmen, als seien sie des weißen Hais ansichtig geworden. Und seine Stimme wurde … wie soll ich es sagen? … Geschmeidiger.
    »Weissu«, sagte er schließlich und lehnte sich schwer an meinen Arm, »wenn alle Schricke reißen, dann tackern wir das Ding anner Wand fest.«
    »Wie meinsse denn das?« Meine Stimme bemühte sich um Festigkeit wie Martin Luthers: »Hier stehe ich und kann nicht anders.« Aber ich musste rülpsen und strafte meine Unbescholtenheit Lügen.
    »Na, wiessollichsmeinen?« Papa schwenkte sein Alkoholfähnlein vor meiner Nase, als gelte es, meine Bedenken olfaktorisch niederzuringen. »Wir hau’n paar Dübel inne Wand, n’paar Schlaufen rechsunlinks, zurren das fest, das wirft dannichmal Bruno um.«
    Bruno ist Roberts Hund, ein putziger, aber überaus quirliger Jack Russell, dafür berüchtigt, alles, was man nicht bei drei festhält, umzuwerfen, umzustoßen, umzurennen. Ein Nachmittag mit Bruno, und du kannst deine Wohnung renovieren.
    »Nichmal Bruno«, wiederholte ich und bestellte zwei neue Enzian, die in Windeseile vor uns hingestellt wurden, als seien wir die einzigen zahlungskräftigen Kunden an diesem Marktstand. »Aaaber …?«
    »Aaaber …?«, echote Papa.
    »Isses … isses auch klug?«, radebrechte ich, bevor meine Stimme brach. Der Enzian brannte wie Höllenfeuer im Rachen. Ich war das nicht gewohnt … ganz und gar nicht gewohnt.
    »Kluch nich … schön nich … aber wirksam«, stellte Papa fest. Er hatte den Enzian mit einer einzigen knap-
pen Handbewegung versenkt. Erstaunlich, der alte Herr.
    »Da musses donoch annere Möglichkeiten geben«, beharrte ich, wobei mir das Wort »Möglichkeiten« so gar nicht über die Lippen wollte.
    »Aber wo … aber wie?« Papa bestellte mit einem
V-Zeichen zwei weitere Schnäpse. Mit andächtigem Blick sah er zu, wie der Standwirt, der mit seinem zotteligen Vollbart aussah wie ein Alphirte, schwungvoll unsere zwei Gläser füllte. »Wohl bekomm’s«, sagte er.
    »Wohlekomms«, sagte mein Vater und nickte ihm zu. »Wollnse auch einen?«
    Der Alphirte schüttelte den Kopf. »Im Dienst … leider.«
    Papa nickte. »Na, dann«, sagte er und stieß mit seinem Glas an meines. »Nich schlappmachn, Kleiner.«
    »Papa!«, protestierte ich und warf dem Alphirten einen entschuldigenden Blick zu. Doch der nickte nur verständnisvoll.
    Der Enzian ging den Weg alles Irdischen. Und es schien, als habe er zwei Synapsen im Gehirn meines Vaters wieder aneinandergeschlossen, denn mit einem Ruck riss Papa sich den Filzhut vom Kopf.
    »Ich hab’s!«
    »Was hassu?«
    »Ich hab’s!«, wiederholte er nur, schob einen Schein über den Tresen und zog mich weg. »Wirsschosehn.«
    Er stapfte durch den Schnee, absolut trittsicher. Was auch immer der Allohol bei ihm anrichtete, mein Vater stolperte nicht, schlitterte nicht, sondern schritt zielstrebig mit großen Schritten aus. Ich schlurfte hinter ihm her wie ein Kind, das Papa vom Spielplatz abholt.
    »Mit dem neumodischen Kram kommwa nich weiter«, dozierte er. »Es is wie imma im Leben: Das Bewährte zählt.«
    »Wo willsu denn hin?« Ich konnte kaum mit ihm Schritt halten.
    »Zum Mailberger!«
    Die Idee war genial, das musste ich zugeben. Mailberger ist ein großes Antiquitätengeschäft, das sich, wie ich wusste, jedes Jahr in der Adventszeit auf alten Weihnachtsschmuck spezialisiert. Und im selben Augenblick wusste ich, dass wir ihn dort finden würden: den XXL -Christbaumständer aus Gusseisen, von einer substanziellen Wertbeständigkeit, Formschönheit und Nachhaltigkeit, die Manufaktum -Kunden Tränen der Freude in die Augen zaubern würden.
    Und so war es auch: Mailberger hatte ein Exemplar, das eine dreihundertjährige Eiche in Grund und Boden fixieren würde. Mein Vater war mit einem Schlag wieder nüchtern, als er dieses Prachtteil sah. Und den Preis vernahm, mit dem man ein ganzes Waisenhaus hätte weihnachtlich beschenken können.
    »Das meinst du nicht ernst, Felix«, sagte er zu seinem Freund und wies auf das Preisschild.
    »Fritz, ich bitte dich«, meinte Mailberger. »Der ist aus dem frühen Biedermeier, über zweihundert Jahre alt. Hat sogar das Brandzeichen einer Eisenhütte, siehst du?«
    »Und wenn schon! Willst du mich ruinieren? Mich, deinen alten Freund?«
    »Komm mir nicht

Weitere Kostenlose Bücher