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Weihnachten mit Mama

Weihnachten mit Mama

Titel: Weihnachten mit Mama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thanner
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gesehen. Sie waren natürlich nicht dunkelrot, wie meine Mutter gesagt hatte, sondern hatten eigentlich überhaupt keine definierbare Farbe. Egal. Ich ließ das Zündhölzchen zu Boden fallen und schnappte mir die erste der drei Kisten. Sie war so schwer wie eine mittlere Vitrine, egal. Ich wuchtete alle drei Kisten in den Gang und trug die erste in völliger Dunkelheit die Kellertreppe hoch. Muss ich erwähnen, wie oft ich mich an der Wand und am Geländer stieß? Aufbaukurs Fluchen. Für Fortgeschrittene.
    Warum hatte dieses alte Haus keinen Aufzug? Da fiel mir ein, dass der Stromausfall hier unten und im Treppenhaus sicher auch den Aufzug lahmgelegt hätte. Nein, es half nichts, die Kisten mussten mit übermenschlicher Anstrengung nach oben gewuchtet werden, eine nach der anderen. Als ich die erste vor der Wohnungstür abstellte, klingelte ich nicht. Nein, erst die beiden anderen hochholen. Dann hatte ich es hinter mich gebracht.
    Ich schnaufte, ich fluchte, ich ächzte, ich fluchte, ich keuchte, ich fluchte, ich griff mir ans Herz. Einen Tag vor Weihnachten erlag Johannes Siebenschön seiner Atemnot und seinen Verletzungen. Er verblutete an seinen wunden Händen .
    Die dritte Kiste war die schwerste. Vermutlich waren darin die großen Suppenschüsseln und ähnliches Gerät. Meine Güte, ich hatte keine Ahnung gehabt, wie schwer Porzellan sein konnte! Und die Kisten waren aus Holz, zwar Sperrholz nur, aber immerhin. Mein Puls jagte, mein Atem flog. Ich brach vor der Wohnungstür zusammen, ließ mich zu Boden gleiten. Hatte nur noch die Kraft, die Türklingel zu betätigen. Irgendwer würde schon kommen, mir öffnen und den Notarzt rufen.
    Die Tür ging auf. Das Licht der heimischen Wohnung umfloss Papa, als sei er ein Engel.
    »Was machst du denn da unten?«
    »Ich … ich …« Ich war zu keiner Antwort fähig, wies nur auf die drei übereinandergestapelten Kisten.
    »Das Geschirr?«
    Ich nickte.
    »Na, dann herein damit«, sagte Papa aufmunternd und ging voraus, als wüsste ich den Weg in die Wohnung nicht. Ich erhob mich mit einem überirdischen Seufzer und trug die Kisten die paar Meter in den Salon, wo ich sie mit übertriebener Vorsicht abstellte.
    Mama saß auf einem Stuhl und hatte Papa beim Finale der Weihnachtsbaumschmückung zugeschaut. Vermutlich hatte sie ihn angefeuert wie einen umjubelten Stierkämpfer in der Arena von Valencia. War ja auch eine herkulische Großtat, gegen die das Hochwuchten der Kisten kaum eines Blickes, geschweige denn der Rede wert war.
    Doch sie schenkte mir einen zweiten Blick. Der blieb länger auf mir haften. In ihm wuchs das Entsetzen, ich konnte es deutlich sehen.
    »Aber, Buberl!«
    »Ja, Mama?«, fragte ich ächzend.
    »Was sind denn das für Kisten?«
    »Was soll das heißen, was sind denn das für Kisten …« Ich holte Luft, so tief ich nur konnte, um meiner Stimme Festigkeit und Lautstärke zu geben.
    »Das sind nicht unsere Kisten«, befand Mama kurz und bündig und schüttelte verständnislos den Kopf.
    »Nicht unsere Kisten …«, echote ich und ließ mich in einen Sessel sinken. »Was soll das heißen …«, wiederholte ich Mamas Worte.
    »Nun, was ich gesagt habe. Es sind nicht unsere Kisten. Wo hast du die denn her?«
    »Na, aus unserem Keller selbstverständlich. Die Kisten, die direkt am Eingang stehen.«
    »Die sind nicht aus unserem Keller, verstehst du?« Auch Mama hatte nun die Stimme etwas gehoben.
    »Lass mal schauen«, sagte Papa, löste einen kleinen Nagel und hob den Deckel einer der Kisten an. »Das ist nicht von uns … wo immer du das herhast … nicht von uns.«
    Ich erhob mich und warf einen Blick in die Kiste. Es war kein goldenes Geschirr darin, überhaupt kein Porzellan. Sondern alte Schallplatten. Cole-Porter-Songs, Satchmos What a Wonderful World , Take Five von Dave Brubeck, Take-the-»A«-Train von Duke Ellington, sogar The Köln Concert von Keith Jarrett. Jazzantiquitäten vom Feinsten.
    »Johannes, also wirklich!«, rief meine Mutter. »Diese Kisten sind aus Brockerhoffs Verschlag. Der, wie du wissen solltest, sich gleich neben unserem Keller befindet. Wie kommst du in Brockerhoffs Keller? Hattest du dir nicht unseren Schlüssel geholt?«
    »Hatte ich, ja … Aber das Schloss war auf.«
    »Unser Kellerschloss ist nie auf!«, entrüstete sich Mama, als hätte ich sie eines unverzeihlichen Vergehens bezichtigt.
    »Warum hast du nicht wenigstens einen Blick in die Kisten geworfen, bevor du sie nach oben bugsierst?«, fragte Papa

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