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Weihnachten mit Mama

Weihnachten mit Mama

Titel: Weihnachten mit Mama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thanner
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Schließlich hätte der Truthahn seinen Auftritt gehabt, unter dem Beifall der Festgesellschaft. Würde … hätte … Weihnachten im Konjunktiv.
    Morgen, Kinder, wird’s was geben . Aber wir verraten nicht, was.
    Ich schaute wieder auf den Weihnachtsbaum. Und dann fiel mein Blick plötzlich auf die kleine, bemalte Tonfigur des Münchner Kindls, die meine Eltern mal von einem Diner bei Käfermitgebracht hatten und die Papa für würdig erachtet hatte, unserem Christbaum eine nostalgisch-bajuwarische Note zu verleihen. München … München … Na, es wäre doch gelacht, wenn in dieser Metropole der Genüsse kein Weihnachtsmenü aufzutreiben wäre!
    Augenblicklich war ich auf den Beinen. Mit wenigen Schritten im Flur, wo ich Mr Fairlie flüchtig zuwinkte. Mit dem Telefon und den Gelben Seiten zurück im Salon. Ein Weihnachtsessen … das kann doch kein Problem sein, in einer Stadt, in der alle Restaurantküchen ständig unter Volldampf stehen! Ganz München war an diesem Abend voll mit Weihnachtsessen. Und etwas davon würde ja wohl den Weg in die Franz-Joseph-Straße finden können, in diesen Salon.
    Hastig flogen meine Finger durch die Gelben Seiten … Restaurants … da! Oh, schon ein paar … seitenweise Einträge, schön geordnet nach allen nur denkbaren Ländern und Regionen, die München mit ihren typischen Speisen bekochten. Truthahn … Truthahn … nun, ein amerikanisches Restaurant fand ich nicht. Aber das musste auch gar nicht sein. Irgendeines, das für sein Geflügel berühmt war … hier … oder da … ich verlor den Überblick.
    Ach, was, bayerische Küche. Das ist nie verkehrt. Ich wählte die Nummer der Goldenen Gans.
    »Restaurant Goldene Gans. Meine Name ist Guido Wackernagel. Was kann ich für Sie tun?«
    Sie können eine Menge für mich tun , dachte ich.
    »Oh … ganz viel, hoffe ich … Wir haben hier einen Notfall! Unser Truthahn hat sich entschieden, sich unserem Verzehr zu entziehen und sich in Asche aufzulösen, verstehen Sie? Wir brauchen für heute Abend ein Essen für vierzehn Personen … Was können Sie denn da liefern?«
    »Wir können gar nichts liefern … tut mir leid. Außerdem haben wir heute Abend eine geschlossene Gesellschaft.«
    »Oh.«
    »Ja. Wollen Sie vielleicht für morgen oder übermorgen reservieren?«
    »Das dürfte zu spät sein … Trotzdem, vielen Dank!«
    Ich will es kurz machen, sonst wird dieses Buch ein Siebenhundert-Seiten-Wälzer. Ich versuchte es mit bayerischen Restaurants, gutbürgerlicher Küche, Lieferservices – die außer Pizza, Chicken McNuggets und Chop Suey aber nichts lieferten, jedenfalls nichts, was auch nur ansatzweise für unser Weihnachtsmenü infrage gekommen wäre –, Cateringfirmen – die kurzfristig überhaupt keine Aufträge übernahmen, und normalerweise auch höchstens das so beliebte Fingerfood zu bieten hatten –, italienischen, spanischen, französischen, österreichischen, ungarischen, sogar jugoslawischen Restaurants – wusste gar nicht, dass es die überhaupt noch gab. Orientalische und asiatische Küche schien mir überhaupt nicht passend zu sein, doch in meiner Not fragte ich auch in solchen Gaststätten und sagte mein Sprüchlein auf, das von Mal zu Mal drängender und verzweifelter klang. Doch all mein Flehen nützte nichts, all mein Klagen blieb unerhört. Es gibt in München nun mal keinen Notdienst für verunglückte Weihnachtsessen. Das wäre mal eine Marktlücke!
    Ich raufte mir die Haare. Das durfte doch alles nicht wahr sein! Ich hyperventilierte, transpirierte, lamentierte, echauffierte mich, – allein, es war vergeblich. Irgendwann steckte Francis, der Butler, seinen Kopf zur Tür herein; ich wedelte nervös mit den Händen. Den konnte ich nun gar nicht gebrauchen. Wenn das so weiterging und ich nicht schnellstens eine Lösung aus dem Ärmel schüttelte, würden wir ihn nach Hause schicken können. Dann brauchte er seine weißen Handschuhe gar nicht erst anzuziehen, dann würde es überhaupt nichts geben, was er servieren konnte, vom Süppchen mal abgesehen. Dann war das Desaster perfekt. Am besten, ich rief schon mal in der psychiatrischen Notaufnahme an und reservierte einen Platz für Mama. Und für mich gleich einen dazu.
    Doch Mr Francis Fairlie ließ sich nicht abschütteln, wegschicken oder sonstwie aus dem Gesichtsfeld verbannen. Er blieb unerschütterlich im Türrahmen stehen und murmelte mit seiner reservierten, etwas ausdruckslosen Stimme: »Wenn ich Ihnen behilflich sein kann, Herr Siebenschon

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