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Weihnachten mit Mama

Weihnachten mit Mama

Titel: Weihnachten mit Mama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thanner
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auf fünf Fingern wie ein Kellner ein Silbertablett. Diesmal rechnete er den Taxameter ab, nicht mehr und nicht weniger. Ein wahrer Freund, wie gesagt.
    Ich war unendlich erleichtert. Als ich das Paket vor Mamans Augen öffnete und die Decke auf dem Tisch ausbreitete und all das Funkeln und Glitzern unsere bescheidene Stube erfüllte, stockte meiner Mutter der Atem. Sie strich mit beiden Händen über den schweren, mit echtem Gold durchwirkten Stoff, überwältigt von dem Wunder, das sich ihren Blicken darbot. Sie war so glücklich, dass ich für jeden einzelnen ihrer Freudenschreie und Bewunderungsrufe zweitausendfünfhundert Euro hingeblättert hätte. Ohne mit der Wimper zu zucken.
    Sie ist meine Mutter … ist das denn so schwer zu verstehen?

14
    Kannst du mir das vielleicht verraten?
    A n diesem Vormittag, während ich auf der Jagd nach der goldenen Decke war, hatten meine Eltern zusammen mit Mr Fairlie die letzten Vorbereitungen im Weihnachtssalon getroffen. Und schließlich war auch der Tisch eingedeckt, die goldene Decke prangte wie ein Himmelszelt, die Gläser funkelten, das Besteck blinkte. Es gab sogar kleine Namenskärtchen auf jedem Platz. Mama würde nichts dem Zufall überlassen … gar nichts. Der Salon sah aus, als kämen gleich die Fotografen von Elle Decoration . Das ganze Zimmer atmete Weihnachten.
    Über die beiden Truthähne, wahre Prachtexemplare ihrer Rasse, hatte sich meine Mutter ausnahmsweise vollkommen zufrieden gezeigt. Vierundzwanzig Stunden hatten sie ein erquickendes Bad in einer Kräutermarinade genommen. Mama hatte in der Küche schon alles vorbereitet für die Füllungen und die Cranberrysoße und machte sich sogleich an die Arbeit. Der Backofen wurde vorgeheizt, dann wurden die beiden fiedrigen Gesellen, allerdings ihres Gefieders beraubt, ins Rohr geschoben. Dort würden sie die nächsten Stunden in komfortabler Hitze zubringen, bevor sie schließlich goldgelb auf den Tisch getragen wurden, wo Papa sie fachgerecht tranchieren würde.
    »Ich muss noch mal weg …«, zwitscherte Mama.
    »Wohin denn, Betty? Es ist alles geschlossen«, sagte mein Vater.
    »Ich gehe rasch zu Eleonore, ihr frohe Weihnachten wünschen. Sie hat ja sonst niemanden …«
    »Sie hat sonst niemanden …«, wiederholte Papa mit leiser Verachtung in der Stimme. Er hatte für die etwas überdrehte Freundin seiner Frau nicht sehr viel übrig, das war offensichtlich.
    »Ich spiele ein bisschen Weihnachtsengel«, kündigte Mama an. »Und überrasche sie … mit einem Geschenk.«
    »Na, dann … viel Vergnügen. Frohe Weihnachten auch von mir«, brummte mein Vater und wandte sich wieder seiner geliebten Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu. Zwei Stunden würde jetzt Ruhe sein, das war nicht zu verachten. Er würde sich in sein Bureau zurückziehen und gemütlich eine Zigarre rauchen.
    Die Wohnungstür ging, und Mama war verschwunden.
    Mich überkam plötzlich eine ungeheure Müdigkeit. Jetzt, wo es nichts mehr zu tun gab, wo alles doch noch geklappt hatte, übten sich meine Nerven in der Kunst des Loslassens. Augenblicklich wurden alle meine Glieder schwer. Mama bei ihrer Freundin, Papa in seinem Bureau … auch ich konnte mir jetzt wohl einen erquickenden Nachmittagsschlummer erlauben. Bevor in ein paar Stunden die Gäste eintrafen …
    Ich zog mich in mein Zimmer zurück, las noch ein paar Seiten in einem Buch, das mich nicht sonderlich fesselte, und überließ mich dann der Schwerkraft wirbelnder Träume, die sich meiner bemächtigten und mich ins Reich der Sorglosigkeit führten, das alle Tore weit für mich geöffnet hatte …
    Wie lange ich geschlafen hatte, vermochte ich nicht zu sagen, als mich ein seltsam scharfer und keineswegs angenehmer Geruch weckte. Mein Zimmer lag nahe der Küche. Und mit einem einzigen Sprung war ich aus dem Bett und auf den Beinen …
    Der Rauch war so mächtig, so durchdringend, dass bei offenem Küchenfenster sicherlich die Nachbarn die Feuerwehr alarmiert hätten. Er quoll aus dem Backofen, schob sich in Wolken durch die Küche und durch sämtliche Ritzen auch in den Flur und hüllte alles mit seinem beißenden Geruch ein. Atemberaubend, in des Wortes wahrster Bedeutung.
    Mit einem Satz war ich beim Herd, hatte die Topfhandschuhe übergestreift und die Ofentür geöffnet. Vor meinen Augen zerfielen die Mumien von Echnaton und Nofretete zu Asche. Was sich meinem entsetzten Blick darbot … sagen wir es so: Dem Bühnenbildner eines Katastrophenfilms über einen Vulkanausbruch, der

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