Weihnachtsengel gibt es doch
Die nackten Fakten auf einem Computermonitor zu sehen beraubte die Geschichte einer Person ihrer Menschlichkeit. Haven war in einen Unfall unter Alkoholeinfluss verwickelt, für den er vom Gericht zum Ableisten von Sozialdienst verurteilt worden ist … Innerlich zuckte er jedes Mal zusammen, wenn er solche aus dem Zusammenhang gerissenen Aussagen las, die ihn wie den letzten Loser aussehen ließen.
„Nach all der Zeit“, erklärte er Maureen, „ist es einfach kein Thema mehr. Es ist, wie einen Laden zu betreten, der nicht ein einziges Stück anbietet, das ich gerne kaufen würde.“
„Wirk lich?“
„Wirk lich.“
Sie schaute ihn lange und prüfend an.
„Was?“, fragte er.
„Du kannst stolz auf dich sein, Eddie.“
„Darauf, dass ich mein eigenes Leben gerettet habe? Angesichts der Alternative war das keine so große Aufgabe.“
„Ich denke, du stellst es leichter hin, als es war. Ich wette, dass deine Eltern auch stolz auf dich sind.“
Daraufhin zuckte er nur die Schultern. „Ich hatte immer das Gefühl, dass sie nicht darüber sprechen wollten. Vielleicht weil es sie zu sehr an ihr eigenes Leben erinnert. Sie haben früher lang und heftig gefeiert, und einen Sohn zu haben, der auf Entzug muss, war vermutlich eine unwillkommene Erinnerung daran.“
Maureen schaute ihn entsetzt an. „Haben sie dir das gesagt?“
„Nein, das ist nur eine Vermutung.“
„Mir scheint, es ist ganz eindeutig, dass du mal mit ihnen darüber sprechen musst.“
Er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Für dich ist alles immer so einfach, Moe.“
„Sprich mit ihnen. Man hat ein besseres Gefühl dafür, wohin man geht, wenn man weiß, woher man kommt.“
„Du bist heute Abend ja eine richtige Philosophin.“
Sie wirbelte die Kirsche in ihrem Glas herum. „Ich habe das mal in einem Buch gelesen. Es gibt da so eine Sache, die ich manchmal mit Büchern mache …“ Sie hielt inne und winkte ab. „Egal. Du würdest mich doch eh nur für verrückt halten.“
„Ein wenig Verrücktheit könnte ich im Moment gut gebrauchen.“ Er war froh um alles, was von seiner Familie ablenkte.
„Okay. Manchmal schließe ich meine Augen und wähle blind eine Zeile in irgendeinem Buch aus und lasse mich von ihr leiten. Es ist nur ein kleines Spiel, mehr nicht.“ Ihre Wangenröteten sich, und sie nahm die Kirsche und knabberte erst daran, bevor sie sie in ihren Mund gleiten ließ. Als sie merkte, wie Eddie sie dabei anschaute, errötete sie noch mehr.
„Noch ein Getränk?“, fragte er.
„Ger ne.“
„Was hattest du?“
„Äh, einen Shirley Temple.“
„Einen Shirley Temple“, rief Eddie Maggie Lynn zu. „Mit zwei Kir schen.“
„Danke“, sagte Maureen. Der Blick, mit dem sie ihn musterte, war zu gleichen Teilen harmlos und bezaubernd. Nein, nur bezaubernd. Und unbestreitbar sexy.
Verdammt. Solche Gefühle für eine Frau hatte er nicht mehr gehabt seit … immer. So hatte er noch für niemanden empfunden. Nicht mal für die Mädchen, denen er Ich liebe dich gesagt hatte, nicht einmal für die Frau, der er einen Antrag gemacht hatte.
Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit? fragte er sich. Dass er sich ausgerechnet in die Stadtbibliothekarin verliebte und keine Ahnung hatte, warum.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass es leicht ist“, kam sie auf das vorherige Thema zurück. „Und doch wirkt es bei dir so ein fach.“
Eddie korrigierte sich. Er wusste, warum er dabei war, sich in sie zu verlieben.
Maureen stand an der Eingangstür zu ihrem Haus und wünschte, sie hätte in der Bar etwas Stärkeres als zwei Shirley Temples getrunken. Nein, das wünschte sie sich nicht. Es hätte sich nicht richtig angefühlt, etwas Hartes zu trinken, während Eddie sich bemühte, trocken zu bleiben. Trotzdem war sie unbeschreiblich nervös. Am Ende des Abends hatte er trotz ihrer Proteste darauf bestanden, sie nach Hause zu begleiten.
„Ich brauche niemanden, der mich sicher nach Hause bringt“, hatte sie gesagt.
„Das weiß ich. Aber ich möchte es gerne.“
Und nun standen sie einander auf den Stufen zur Haustür gegenüber, und sie war ein reines Nervenbündel. „Nun“, sagte sie. „Danke.“
„Bitte mich noch hinauf.“
„Oh, ich denke nicht …“
„Guter Plan. Lass uns einfach nicht denken. Bitte mich noch mit hinauf, und dann sehen wir, was passiert.“
Sie wollte es. Es ergab keinen Sinn und war extrem dumm, aber sie wollte es mehr, als sie den nächsten Atemzug wollte. Bevor sie den Mut verlor,
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