Weihnachtsengel gibt es doch
Platz für eine neue, offenere Maureen. Sie wirkte beinahe selbstbewusst. Bo stellte seinen Bass beiseite, ging zu seinem Tisch und rutschte neben seiner Frau auf die Bank. Kim warf ihm einen verliebten Blick zu.
„Was würdest du dafür geben, wenn dich jemand so ansehen würde?“, wandte Ray sich an Eddie und zeigte auf Bo und Kim. Sie waren noch nicht lange verheiratet und konnten kaum die Hände voneinander lassen. „Deinen Weisheitszahn?“
„Ja, klar. Wer braucht den schon.“
„Die linke Nuss.“
„Autsch. Halt den Mund, und spiel, Tolley.“
Sie rissen Bo von seiner Frau los und legten einen dreißigminütigen Auftritt zum Warmwerden hin. Sie spielten ein paar bekannte Lieder und auch ein paar von ihren eigenen, und die kleine, aber enthusiastische Zuschauermenge klatschte und sang begeistert mit. Während er spielte, versuchte Eddie, Maureen zu beobachten, ohne dabei allzu offensichtlich zu sein. Ein Kerl, der schon ein paar Bier intus hatte, näherte sich ihr und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Eddie machte sich bereit, zu ihrer Rettung zu eilen, doch sie erteilte dem Typen mit gerunzelter Stirn eine Abfuhr, indem sie sich von ihm weglehnte und etwas sagte, das aussah wie „Nein, danke.“ Es schien ihr überhaupt nicht in den Sinn zu kommen, dass der Typ sie anmachte. Mann, sie war wirklich ein komischer Vogel.
Und er war verrückt nach ihr. Was für eine verrückte Welt.
In der Pause bestellte er eine Tasse Kaffee und setzte sich neben Maureen. „Und?“
„Ihr seid einfach toll. Und eure eigenen Lieder … Du bist ein großartiger Songwriter. Ich meine, das wusste ich schon, aber dir jetzt zuzuhören … nun, es tut mir leid, dass ich dichgezwungen habe, einen Song für das Krippenspiel zu schreiben.“ Sie rutschte unruhig hin und her.
„Das verstehe ich nicht. Wieso fühlst du dich deswegen schlecht?“
„Ich wusste nicht, worum ich dich bat. Deine Lieder sind dein Herz.“
„Ja? Findest du?“
Sie nickte. „Das Lied, das du in der Bücherei gesungen hast? Es war nicht richtig von mir, es zu kritisieren.“
„Ist schon gut“, sagte er. „Ehrlich. Das Lied handelte von dir, nicht von dem Weihnachtsspiel. Ich habe mich entschieden, dafür noch mal was anderes zu versuchen.“
Sie sah sich verwirrt um. „Von mir?“
„Ja. Maureen …“
„Eddie …“ Sie sah aus, als wollte sie jeden Moment die Flucht ergreifen.
Er versuchte, sie mit einem Lächeln zu beruhigen. „Wir müssen nicht jetzt darüber sprechen.“
Sie ließ sich gegen die Lehne ihres Stuhls sinken. „Danke.“ Dann beugte sie sich vor und nahm sichtlich nervös einen Schluck von ihrem Drink.
Er prostete ihr mit seiner Kaffeetasse zu. „Prost. Auf Musik und Texte.“
Sie stieß mit ihm an. Ihr Getränk war irgendwas mit einer Kirsche darin. „Kann ich dich was Persönliches fragen?“
„Fragen kannst du. Ich kann aber nicht versprechen, dass ich auch antworten werde.“
„Oh. Nun ja, dann …“
„Ich mache Witze, Maureen.“ Er liebte es, wie ernst sie alles nahm. „Schieß los. Ich habe nichts zu verbergen.“
„Ich habe mich nur gefragt, ob es dir was ausmacht, in eine Bar zu gehen, wo du doch ein Nichttrinker bist.“
„Ein trockener Alkoholiker“, korrigierte er. „Das ist eine ganz spezielle Sorte Nichttrinker. Und nein, mir macht esnichts aus, darüber zu sprechen.“ Nüchtern zu bleiben war für ihn einst ein täglicher Kampf gewesen, aber das war lange her. Heute fühlte es sich an wie ein tägliches Geschenk, mit einem klaren Kopf aufzuwachen und ihn den ganzen Tag über zu behalten. Für manche Menschen war Nüchternheit nichts Besonderes, aber für Eddie schon. Er war zu kurz davor gewesen, alles zu verlieren, um noch einmal ein Risiko einzugehen. „Wie sollte es auch, im Internet gibt es sogar eine eigene Seite zu dem Thema.“
„Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich solche Sachen nicht nachgucke.“
Das war noch etwas, was er an ihr mochte. Sie war loyal. Sie besaß Integrität. „Danke, Moe. Ich wünschte, die Idioten, die die Onlineartikel schreiben, wären mehr wie du.“ Das Internet bot eine Kombination aus echten Fakten und reißerisch aufgemachten Schlagzeilen, die nur entfernt an die Wahrheit erinnerten. Es gab Links zu Artikeln von fragwürdiger Authentizität, Bilder von ihm, von seinen Exfreundinnen und seiner Familie. Und genau wie Maureen gesagt hatte, fühlte sich alleine die Existenz dieser Seiten wie ein unerwünschter Eingriff in sein Privatleben an.
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