Weihnachtsengel gibt es doch
fröhlich. Er hatte von der unerwarteten Begegnung nichts mitbekommen. „Alle Mann an Bord. Kannst du mir hierbei helfen?“
Daisys Arme fühlten sich an wie Wackelpudding, ihr Gehirn stand in Flammen. Vor der Tür zu ihrem Waggon hatte sich eine Schlange gebildet, sodass sie warten mussten. Sie verrenkte den Hals und fragte sich, ob sie sich das nur eingebildet hatte. Nein. Es war Julian gewesen. Was machte er hier, nachdem er ihr doch geschworen hatte, dass er nicht kommen könne und sich tausendmal bei ihr entschuldigt hatte? Und was, zum Teufel, dachte er sich dabei?
Sie stand neben Logan auf dem Bahnsteig und wartete darauf, mit Charlie und dem Buggy und ihrem Übernachtungskoffer in den Zug steigen zu können. Als über die Lautsprecher eine Verspätung verkündet wurde, trat Daisy ein paar Schritte zur Seite, sodass sie zwischen den Waggons hindurchsehen konnte. Der andere Bahnsteig war jetzt leer. Wo war Julian hingegangen?
Sie zog ihr Handy aus der Tasche und las seine Nachricht. ÜBERRASCHUNG. KOMME ÜBER WEIHNACHTENDOCH. MITTAGSZUG. BIS GLEICH. LOVE, J.
Sie warf einen hektischen Blick auf die Uhr. Oh nein. Oh, Gott. Oh nein.
Und dann, als hätten ihre Sehnsucht und Verwirrung ihn heraufbeschoren, betrat Julian den Bahnsteig. Seine Kappe hatte er abgesetzt, und er atmete heftig vor Anstrengung. „Daisy“, sagte er.
„Ich dachte, du würdest zu Weihnachten nicht kommen.“
„Ich nutze jede Minute einer achtundvierzigstündigen Pause“, sagte er. „Aber … wo fährst du hin?“
„Das geht dich nichts an“, fuhr Logan angespannt dazwischen und ging mit großen Schritten auf ihn zu. „Bis später, Freund. Sie ist mit mir zusammen.“
„Hey“, wies Daisy ihn scharf zurecht. „Du kannst Charlie nicht einfach so im Buggy stehen lassen.“ Gereizt eilte sie zu dem Kinderwagen und drehte ihn gerade rechtzeitig um, um zu sehen, wie die beiden einander kampflustig gegenüberstanden. Die anderen Reisenden guckten schon. Großartig, dachte sie. Einfach großartig. Sie sahen beide auf ihre Art bedrohlich aus. Julian in seiner Uniform, so stattlich wie auf einem Rekrutierungsposter, und Logan mit seiner beschützenden Haltung, dem die Nachmittagssonne feurige Reflexe in seine roten Haare malte. Sie schienen nichts um sich herum wahrzunehmen, nicht einmal Daisy.
„… hatte vom ersten Tag an ein Problem mit dir“, sagte Julian gerade.
„Und du meinst, das interessiert mich?“, wollte Logan wissen.
Es war schwer zu sagen, wer den ersten Schritt machte. Sie knallten aufeinander wie zwei Güterzüge. Der Rauch der Dampflok wirbelte um sie herum, und bald hatte sich eine kleine Menschentraube um sie versammelt. Daisy schob sich zwischen die beiden und entging dabei nur knapp einem Faustschlag. „Schluss jetzt“, rief sie. „Hört auf, euch wie dieIdioten zu benehmen.“
„Törtauf!“, rief Charlie, nun ebenfalls wach, aus seiner Karre.
Logan wurde kein bisschen langsamer, als er um Daisy herumtänzelte, um einen weiteren Schlag zu landen. Julian trat im letztmöglichen Augenblick zur Seite und sorgte so dafür, dass Logan an die Bahnsteigkante taumelte. Er wirbelte hektisch mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten. Daisy schrie; vor ihrem inneren Auge sah sie schon, wie Logan von den anfahrenden Rädern des Zuges zermalmt wurde. Schnell packte Julian einen Zipfel von Logans Jacke und zog ihn daran zurück. Die Wucht der Bewegung ließ sie beide nach hinten stolpern, und gemeinsam landeten sie auf dem Boden. Doch damit war der Kampf noch lange nicht beendet. Logan befreite sich aus Julians Griff und bearbeitete ihn wieder mit fliegenden Fäusten. Ihre Kleidung riss, und Sachen fielen aus ihren Taschen – Münzen, Schlüssel, ein Taschenmesser, ein U-Bahn-Chip, ein einzelner Lederhandschuh.
„Das reicht.“ Daisy drängte sich entschlossen zwischen die beiden. Sie war so voller Adrenalin, dass es ihr gelang, eine vorschießende Faust zu stoppen. Beide Männer traten schwer atmend einen Schritt zurück. Trotz der Kälte stand ihnen der Schweiß auf der Stirn.
Zu irgendeinem Zeitpunkt des Kampfes war eine kleine Samtbox zu Boden gefallen und aufgesprungen. Das Licht einer Bahnsteiglaterne fiel auf den Inhalt: Ein Diamantring blinzelte ihr zu.
„Oh“, sagte Daisy und schaute verwirrt von einem zum anderen. „Oh“, wiederholte sie. „Einer von euch hat da was verloren.“
21. KAPITEL
E ine Champagnerflasche zu öffnen hatte etwas von einer heiligen Handlung. Das schnelle
Weitere Kostenlose Bücher