Weihnachtsengel gibt es doch
eine süße Überraschung sicher genau richtig. Maureen wählte ein paar glasierte Zitronenkekse, Schokoladen-Minz-Plätzchen, Ahornsirup-Kipferl und einen Lebkuchenmann aus.
Die Kekse verpackte sie einzeln in Wachspapier, legte sie in ein hübsches Körbchen und packte noch eine CD mit ihren liebsten Weihnachtsliedern dazu. Die Katzen fanden ihre Tränen langweilig und tapsten davon, um neben der Heizung ein Nickerchen zu halten. Tränen? Grundgütiger, sie hatte gar nicht gemerkt, dass ihr während der Arbeit die Tränen über das Gesicht liefen. Sie löste sich langsam auf. Reiß dich zusammen, befahl sie sich. Dann stellte sie den Fernseher an, um wenigstens das Gefühl von Gesellschaft zu haben.
Als sie die vertrauten Eröffnungsklänge von Der Weihnachtsstreich hörte, beeilte sie sich, das Programm zu wechseln… und hielt mittendrin inne. Nur weil es mit ihr und Eddie vorbei war, bedeutete das nicht, dass sie sich auf kalten Entzug setzen musste. Sie musste weiterhin in einer Welt leben, in der sein Film gezeigt wurde, wo sein Foto ab und zu in Zeitschriften auftauchte und seine Stimme im Radio erklang. Es hatte keinen Zweck, sich zu verstecken.
Sie musste beweisen, dass sie den Schmerz überleben konnte. Dazu musste sie zulassen, ihn zu fühlen, musste den grausamen Schnitt durch ihr Herz anerkennen und trotzdem weitermachen.
Beinahe trotzig machte sie den Fernseher genau rechtzeitig lauter, um zu hören, wie der kleine Jimmy Kringle sagte: „Ich gebe die Hoffnung nicht auf, das schwöre ich.“
„Genau, hoff nur weiter, kleiner Freund. Du wirst schon sehen, wie weit du damit kommst“, erwiderte der zynische Beasley, der den Anführer der Waisenkinder spielte.
Es gab keinen Grund, warum eine kitschige Zeile wie diese funktionieren sollte, und doch tat sie es im Zusammenhang mit diesem herzerweichenden Film. Einen Moment lang schaute Maureen nur auf das Gesicht des Jungen im Fernsehen. Er war jedes Kind, das jemals Angst hatte oder sich einsam fühlte. Das war sein Zauber. Die blanke Sehnsucht in seinen riesigen Augen war beinahe greifbar. Er zeigte die Art Verletzlichkeit, die die meisten Menschen in ihrem Inneren verbargen, tief vergraben unter einem schützenden Panzer. Eddie hatte das alles herausgelassen, sowohl als kleines Kind als auch in seinem wahren Leben. Sogar bei seinen Auftritten hatte er keine Angst, seine Gefühle zu zeigen. Sie wusste jetzt, dass ihn dieses Talent zu den Höhen und Tiefen seines Lebens geführt hatte, dazu, sich wiederholt zu verlieben, Schmerzen so tief zu empfinden, dass er versucht hatte, sie mit Alkohol zu betäuben. Und es hatte ihm schließlich auch den Mut verliehen, sich zu ändern.
Er hatte ihr vorgeworfen, niemals ihre Meinung zu ändern,sich immer in alle Richtungen abzusichern. Hatte er damit recht? Vielleicht. Aber sich kopfüber in Abenteuer zu stürzen – in Leidenschaft, Musik, Liebe – war einfach nicht ihre Art. Sie konnte sich nicht in jemand anderen verwandeln. Sie glaubte allerdings, dass es möglich war, ohne Angst zu leben, jeden Moment auszukosten. Es lag allein an ihr, den Optimismus und den Glauben daran zu finden, auch jetzt, inmitten ihres größten Herzschmerzes. Das ist mein Projekt, dachte sie; mein Weg, über ihn hinwegzukommen.
Er ist zu einem erstaunlichen Mann herangewachsen, überlegte sie. Aber sie war nicht so blind verliebt, dass sie ihn als perfekt ansah. Er hatte seine Fehler, er war ein Mensch. Seine Probleme mit seinen Eltern reichten tief. Sie hätte es besser wissen sollen, als sich in einen Mann zu verlieben, der nur ungern Zeit mit seinen Eltern verbrachte. So ein Mann konnte für sie nicht der Richtige sein. Oder doch?
Sie band noch eine Schleife um das Körbchen für die Briefträgerin und hielt das letzte Stückchen gekringelten Geschenkbands Franklin und Eloise zum Spielen hin. Die Katzen stürzten sich darauf, als wäre es der Schatz der Sierra Madre. Maureen schaute das Gesicht an, das nun den Bildschirm füllte. Kein Wunder, dass sie sich in Eddie verliebt hatte. Sie dachte an den Schmerz, den er bereits in dem Alter fühlte, und an die unglücklichen Zeiten, die er mit seiner Familie jedes Jahr zur Weihnachtszeit erlebt hatte. „Es tut mir leid“, flüsterte sie. „Ich habe nicht geahnt, wie sehr es dir wehtun würde. Ich wusste nicht, dass es uns zerstören würde.“
Das waren Sätze, die sie zum echten Eddie sagen sollte. Und das würde sie auch. Vielleicht. Nur … nicht jetzt. Er hatte es geschafft,
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