Weihnachtsgeschichten am Kamin 02
beschenkt zu werden. Auch Oma und Tante Irmi hatten sich uns angepaßt, keine sonstigen Geschenke, nur etwas Kleines zum Essen vielleicht.
Oma war als erste dran. Obligatorisch wie jedes Jahr nestelte sie aus einer großen Wehrmachtstasche für jeden ein Paket selbstgebackener Marzipankugeln heraus. Ich bin ein Marzipanfan, und für mich war das toll. Nun kam Tante Irmi an die Reihe. «Da ich nichts anderes wußte, schenke ich auch noch mal Marzipan», sagte sie und zog aus ihrer Tasche für jeden große und kleine Marzipanbrote heraus. Toll — soviel Süßes! Nun kam meine Mutter aus dem Nebenzimmer, sie druckste herum und meinte dann: «Also, nun liegt überall soviel Marzipan herum, aber ich weiß ja, daß ihr gerne so was eßt», und legte jedem ein Riesenbrot hin, meines war ein 2-Pfund-Brot. Es waren die größten, die ich sehnsuchtsvoll Wochen vorher im Schaufenster betrachtet hatte — es war einfach himmlisch. Ich bemerkte allerdings ein betretenes Gesicht meines Vaters: «Tja», sagte er etwas unsicher, «das habe ich nun wirklich nicht gewußt, aber ihr könnt euch vielleicht denken, was ich für euch habe.» — «Marzipan», schrien wir alle, und dann holte mein Vater für uns noch einmal Riesenbrote hinter seinem Rücken hervor.
Oma mußte sich nun erst mal setzen, Tante Irmi bekam einen Lachanfall, Mutti schmunzelte, und Vatis Augen kreisten immer wieder ungläubig über den Marzipantisch. Nur meine Schwester machte ein unwirsches Gesicht: «Was soll denn das, was soll ich denn da noch schenken?» bemerkte sie enttäuscht. «Marzipan», riefen wir aus vollem Mund. «Ja, was anderes habe ich auch nicht», antwortete sie und verteilte ausgesuchte, feinste Marzipanspezialitäten.
Es war eine tolle Stimmung unter allen, die schon geschenkt hatten, nur plötzlich war mir die Laune vergangen. «Mutti, ich weiß nicht, was ich schenken soll, ich habe nur...» — «Nichts sagen, schenk das, was du hast. Ich weiß, alle freuen sich darüber», unterbrach mich meine Mutter, die bereits wußte, was kam, und dann ließ ich meine vielen kleinen Marzipanbrote, die ich von meinen gesparten Groschen gekauft hatte, über den Tisch herabregnen.
Das Gelächter paßte eigentlich nicht zu einem besinnlichen deutschen Weihnachtsfest, aber das war uns jetzt ganz egal.
Bevor es aber ans Essen ging, wog ich mit meiner Schwester alles, und es wurden dann 21 Pfund Marzipan. Obwohl von den mittäglichen Hühnern noch der Bauch gefüllt war, griffen wir tüchtig zu; mein Vater biß in sein 2-Pfund-Brot wie in eine Brotscheibe hinein, und so konnte das Ganze denn auch nicht gutgehen, am nächsten Tag hingen wir apathisch in den Seilen — aber schön war’s doch, es waren endlich einmal
fröhliche Weihnachten.
Wilfried Schulz
Das Weihnachtsgeschenk wider Willen
Obwohl es nun schon viele Jahre her ist, muß ich gerade in der Vorweihnachtszeit wieder an die kleine Geschichte von damals denken.
Es war der 23. Dezember und ich kam aus dem Büro. Seit Tagen schon hatte es geschneit, nicht viel, aber für die Kinder reichte es, um Schlitten fahren zu können. Als ich an jenem Tag aus dem Bürohaus trat, fielen dicke, weiße Flocken.
Noch angespannt von der Arbeit, öffnete ich etwas unmutig meinen Schirm und stapfte durch den mittlerweile dicken Schnee in Richtung Stadtmitte. Es dunkelte bereits, Kinder mit Schlitten, die wohl auf dem Weg nach Hause waren, zogen lachend an mir vorbei.
Erst jetzt mußte ich an meine eigene kleine Tochter denken, auch daran, daß ich immer noch kein Weihnachtsgeschenk für sie besorgt hatte.
Sie wünschte sich so sehr einen Hund. Aber aus welchen Gründen auch immer, meine Frau mochte ihr diesen Wunsch nicht erfüllen, und wenn ich ehrlich war, so hielt ich auch nichts davon.
Ich hatte jetzt die Stadtmitte erreicht. Weihnachtsbäume und Kerzen strahlten mir aus den Schaufenstern entgegen, und die Schneeflocken fielen auf Tausende von Glühbirnen der Weihnachtsbeleuchtung.
Eine eigentümlich besinnliche Atmosphäre ergriff mich, obwohl die Menschen durch die Straßen eilten, zum Teil bepackt mit Paketen und Geschenken, um den Bus noch zu erreichen. Es lag über allem eine Friedfertigkeit, eine innere Ruhe nahm auch mich in Besitz.
Der Geruch von Glühwein, gebrannten Mandeln und der süße Duft von frischen Waffeln lag in der Luft, als ich den Weihnachtsmarkt erreichte.
Ich wollte doch noch schnell ein Geschenk für meine Tochter kaufen.
Kein lebendes Tier, wie sie es sich wünschte,
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