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Weihnachtsgeschichten am Kamin 02

Weihnachtsgeschichten am Kamin 02

Titel: Weihnachtsgeschichten am Kamin 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Richter , Stubel,Wolf-Dieter
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wieder mal auf Arbeitssuche gewesen, und er hatte für diesen Tag Glück gehabt. Er konnte beim Kohlenhändler helfen und brachte auch gleich einen Sack voll Kohlen mit. Und einkaufen war er auch noch. Weißbrot, Marmelade, Gulasch und noch einige andere Sachen. Das Schönste aber war der Tannenbaum. Wir versuchten dann mit der ganzen Familie, ihn zu schmücken, und zum Schluß sah er sehr bunt aus. So verging die Zeit wie im Flug.
    Nach dem Abendbrot saßen wir sehr andächtig vor unserem Baum und sangen Weihnachtslieder und freuten uns. Plötzlich polterte es an der Tür. Meine Eltern sahen sich erschrocken und fragend an. Eine meiner Schwestern sprang auf und rief: «Der Weihnachtsmann, der Weihnachtsmann, er kommt ja doch zu uns!» Sie rannte zur Tür, machte sie auf und da stand er. Riesengroß, der rote Mantel hing bis auf die Erde. Mit einer Kapuze auf dem Kopf und einem Bart bis zum Bauch.
    Wir waren alle mucksmäuschenstill. Er sah uns der Reihe nach an und sagte: «Guten Abend, darf ich hier einige Geschenke abladen?»
    Meine Eltern waren noch immer sprachlos, sie sahen mich an und zuckten mit den Schultern. Meine Schwestern aber wurden sehr lebhaft und schrien fast vor Freude: «Na klar, wir wollen auch immer ganz artig sein!»
    Jetzt erst kam ein großer Jutesack zum Vorschein und es ging los. Alle Kinder bekamen eine richtige Puppe, ein Paar Handschuhe, eine warme Mütze, einen Schal und eine bunte Tüte mit den tollsten Süßigkeiten. Es herrschte eine freudige Aufregung.
    Dann kamen meine Eltern dran. Mutter bekam einen riesigen Pralinenkasten, Kaffee und ein Paar Hausschuhe. Vater eine Kiste Zigarren und auch neue Hausschuhe. Zum Schluß legte der Weihnachtsmann uns noch eine Ente fürs Mittagessen auf den Tisch.
    Meine Eltern hatten inzwischen feuchte Augen bekommen und sahen sehr verstört aus.
    Der Weihnachtsmann sah uns noch einmal alle der Reihe nach an und sagte: «Es hat mich sehr gefreut, daß ich bei euch war. Ein recht schönes Weihnachtsfest und auf Wiedersehen. Bitte bleibt alle hier sitzen, ich möchte allein hinausgehen.»
    Und fort war er. Bis heute wissen meine Eltern nicht, wer das gewesen sein mag. Ich aber glaubte wieder an den Weihnachtsmann und an Wunder. Heute noch, bei jeder Weihnachtsfeier mit Weihnachtsmann, wird mir sehr warm ums Herz.

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    Da wird’s so richtig gemütlich.

    Eva Korhammer

Geschwistersegen

    «Aber nur bis zum Rathaus! Und wenn’s dunkel wird, bist du zu Hause!» Täglich rief mir meine Mutter diese Ermahnungen damals nach, wenn ich nachmittags weg wollte. Außer am Wochenende. Da hatten die Posten am Rathaus dienstfrei.
    Aber ich sehe schon, ich muß weiter ausholen. Genaugenommen bis Dezember 45. Unser erstes Weihnachten wieder ohne Sirenen, Bunker und Bombenangst. Allerdings auch fast ohne seine traditionellen Attribute. Immerhin, einen Winzling von Weihnachtsbaum hatte mein Vater «organisiert». Mehr konnte er nicht schleppen, geschwächt, wie er zurückgekommen war, und mehr fand ohnehin nicht Platz in unserem Flüchtlingsverschlag unterm Dach, den der Hauswirt großartig als «Wohnmansarde» auswies, um weitere Einquartierungen abzuwenden. Kerzen waren auch noch vorhanden, von der letzten Luftschutzzuteilung, und Stanniolstreifen für Lametta hatten die Bomber im Überfluß abgeworfen.
    Was fehlte, waren zum Beispiel Zutaten für die Weihnachtsbäckerei. Der Bäcker um die Ecke war guten Willens, unser Blech in seinen Ofen zu schieben — nur drauf sein sollte schon was! Seit Wochen hamsterte Mutter für unser Anstatt-Rezept: Graue Kleie statt Weizenmehl, SOWEI-Ei-Ersatz-Pulver statt Eier, Süßstoff statt Zucker, Wasser statt Milch, Natron statt Hefe, im äußersten Glücksfall ein Klumpen Schmalz statt Butter und in gar keinem Fall Rosinen, Sukkade oder dergleichen.
    Es war die Zeit, als ich anfing, als Rathauswegweiser zu arbeiten. Ich war zwölf, Einzelkind, und seit uns die Luftminen aus der Großstadt nach F. in der hessischen Provinz vertrieben hatten, sahen meine Zeugnisse recht zwiespältig aus: weil ich keinen HJ-Pimpf aus dem Gedächtnis malen konnte, sackte ich in «Kunst» auf ungenügend. Ebenso in «Fleiß», wegen mangelhafter Ergebnisse beim Knochensammeln für Seife. Dafür war ich aber in Englisch ein halbes Jahr weiter — und hier fängt meine Geschichte erst richtig an.
    Nach dem Zusammenbruch lag den Leuten in F. viel daran, rasch zu den zuständigen Besatzungsbehörden vorzudringen, um endlich wieder ein bißchen

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