Weihnachtsgeschichten am Kamin 02
aber es gab ja auch so viele schöne Stofftiere. Das Schönste würde ich für sie aussuchen.
Mit viel Liebe wurden die Geschenke von den Eltern, von Omas und Opas für ihre Kinder und Enkel ausgesucht. Einem älteren Herrn, der sich für eine Eisenbahn entschieden hatte, konnte man ansehen, daß er in Gedanken schon mit seinem Enkelsohn spielte, gleichzeitig erfüllte er sich wohl einen eigenen Kindertraum.
Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gewissen, denn trotz intensiven Suchens konnte ich mich doch für keines der vielen Tiere aus Stoff entscheiden. Ob sie nun auf Knopfdruck bellen oder laufen konnten, sie sahen mir alle zu unnatürlich aus. Über so etwas würde meine Karin sich nicht freuen. Ich fuhr ohne Geschenk nach Hause, aber mit dem Gedanken, meine Frau doch noch umzustimmen. Karin sollte ihren Hund bekommen.
Der Schneefall hatte zugenommen, und es war jetzt stockdunkel. Die Scheibenwischer konnten den vielen Schnee kaum bewältigen.
Weiße Weihnachten, der Traum aller Kinder und Erwachsenen, würde dieses Jahr in Erfüllung gehen. Plötzlich huschte ein kleiner, dunkler Schatten vor meinem Auto. Ich war so in Gedanken, daß ich viel zu spät auf dem glatten Schnee bremsen konnte. Bis ich anhalten und aussteigen konnte, um zu sehen, was geschehen war, mußte ich schon ein paar Schritte zurückgehen.
Undeutlich sah ich im Schein einer entfernt stehenden Straßenlampe eine kleine Katze liegen. Ich hatte sie nicht angefahren. Es muß wohl der Schreck gewesen sein, der sie zitternd am Straßenrand im Schnee kauern ließ.
Ich konnte das Tier beim besten Willen nicht hier im Schnee liegenlassen und nahm sie mit ins Auto. Als das Tier nach einer Weile zutraulich schnurrend seinen Kopf auf mein Bein legte, kam mir eine Idee.
Der Heilige Abend kam, gleich sollte Bescherung sein. Ich glaube, daß ich an diesem «Tag der Kinder» aufgeregter war als Karin. Unter dem schön geschmückten Tannenbaum sagte sie ein Gedicht auf und schielte dabei vor lauter Ungeduld immer wieder zum festlichen Gabentisch hinüber.
Als sie dann alle ihre kleinen und großen Geschenke ausgepackt hatte, sah sie mich trotz der vielen Sachen eigentümlich traurig an, sagte aber nichts. Ich verließ daraufhin kurz das Wohnzimmer, um nach wenigen Minuten mit der kleinen Katze auf dem Arm das Zimmer wieder zu betreten.
Karins Augen fingen an zu strahlen.
Sie nahm mir das Kätzchen ab. Dann drückte sie mich, und an der Heftigkeit spürte ich, daß dies das schönste Weihnachtsgeschenk war, das ich ihr bereiten konnte. Ich bin mir heute nicht mehr sicher, ob ich nicht angesichts der Freude meiner Tochter ein paarmal über meine Augen wischen mußte, und ich glaube, meiner Frau erging es genauso.
Die kleine Katze ist das schönste Weihnachtsgeschenk wider Willen für unsere ganze Familie geworden, wir haben sie heute noch.
Gerhard Beese
Die Grammophon-Truhe
Man schrieb das Jahr 1929, ich war 10 Jahre alt, es war der 24. Dezember. Vater war Doktor in Berlin, und unsere Mutter und die kleinen Kinder wuchsen in Lehnitz, einem kleinen Ort vor Oranienburg, in einer alten Villa, Baujahr 1902, auf.
Zu Weihnachten kam die ganze Familie zusammen: Mutter, Vater, sieben Kinder von sieben bis 34Jahren, unser gutes Hausmädchen Marie, unsere Haustochter (heute nennt man das «au Pair»), die Mimama (Oma) aus Berlin, Onkel Franz und Verlobte Lieselotte.
Schon Wochen vorher waren Vorbereitungen im Gange. Bruder Helmut, Bäcker und Konditor, werkelte Schüsseln von Weihnachtsgebäck wie Pfeffernüsse, Lebkuchen, Dominosteine, alles das, was man heute im Großmarkt kauft. Gebacken wurde in dem alten gemauerten Kachelherd mit Holz und ein paar Braunkohlenbriketts — nein, Elektro- oder Gasherd, das gab’s noch nicht. Und dann das «Heiligabend-Essen»: Kartoffel-Heringssalat. Was da nicht noch alles hineinkam! Rote Beete, Gurken, Äpfel, Zwiebeln und Pflaumen, ein Riesentontopf voll! Später bekam jeder noch ein heißes Würstchen dazu. Festessen? Aus heutiger Sicht? Wir hatten siebeneinhalb Millionen Arbeitslose, und Vater mußte als Feld-Wald-Wiesen- und Stadt-Armeleute-Arzt zwölf Mäuler ernähren.
Ihr wißt ja, Heiligabend wird es schon früh dunkel. Vater hatte Esther, die Haustochter, und mich zum Bahnhof mit Leiterwagen bestellt. Wir fuhren los, während Mutter und Marie die letzten Fußböden putzten. Unser Losfahren mußte ganz geheim bleiben! Der Weg dauerte etwa 15 Minuten; auf dem Bahnhof gab es damals noch keine Schranke, aber
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