Weihnachtsgeschichten am Kamin 02
nicht das kleinste Rauchwölkchen. Wir waren allein. Hände und Füße waren steifgefroren. Uns klapperte sogar das Herz im Leib. Mein Vater holte Holz und Kohlen aus dem Schuppen. Da wir auch im Sommer auf dem Herd kochen mußten, war für Feuerung gesorgt.
Im Häuschen war es so eisig wie in einer Gruft. Am liebsten hätte ich jetzt losgeheult. Aber als dann das Feuer im Herd prasselte und meine Mutter für heiße Getränke und Essen gesorgt hatte, da ging es uns schon wieder besser. Im Schein der Petroleumlampe wurde der Tannenbaum geschmückt. Es wurde schnell dunkel. Mein Vater versuchte, die Pumpe in Gang zu bringen, damit wir uns waschen konnten. Aber wer dachte bei der Kälte schon ans Waschen. Es war jetzt ganz behaglich. Das Feuer knisterte im Herd, und meine Mutter erzählte uns Geschichten von früher. Sie stimmte ein Weihnachtslied an, und wir sangen mit, alle Strophen. Wir waren alle sehr glücklich. Ich habe selten wieder so ein wunderbares Zusammengehörigkeitsgefühl im Familienkreis gehabt wie an diesem Abend. Es war spät, als wir endlich zur Ruhe kamen. Mutter packte jedem einen heißen Ziegelstein ins Bett, und dann schliefen wir ein.
Aber erst am nächsten Morgen sollte das Abenteuer beginnen. Wir waren eingeschneit. Was sollte nun werden? Müßten wir nun alle sterben? Ich zitterte vor Angst. Mutter tröstete uns und meinte: «Jetzt wird erst einmal kräftig gefrühstückt, und dann müssen wir überlegen, wie wir hier wegkommen.» Ja, ja, das wollten wir alle von Herzen gern. Im Schuppen stand ein Schlitten, den hatten wir im Sommer bereits hierhergeschafft, und einen alten Rucksack fanden wir auch noch. Wir nahmen nur das Wichtigste wieder mit. Meine Mutter machte Tee und schmierte Butterbrote. Mein Vater holte einen Spaten und einen Besen aus dem Schuppen. Gemeinsam versuchten wir nun, die Tür zu öffnen. Es gelang tatsächlich.
«Das ist ja entsetzlich, soviel Schnee. Wie wollen wir das schaffen mit den Kindern?» Mutter war ganz mutlos. Aber wir trösteten sie, waren wir doch froh, daß es heimwärts ging. Mein Vater rechnete mit drei Stunden für den Rückweg zum Dampfer. Tapfer schoben wir los. Voran mein Vater mit Rucksack und Spaten, wir Kinder mit dem Schlitten und meine Mutter mit dem Besen hinterher. Wir mußten uns wirklich durch den Schnee fressen. Durch Schneeverwehungen lagen manchmal Eisberge vor uns. Mit dem Spaten schlug mein Vater Stufen hinein. Mühsam kletterten wir hinterher. Auf freien Strecken saßen wir, in warme Decken gehüllt, auf dem Schlitten.
Den Dampfer erreichten wir im letzten Augenblick. Viele Fahrgäste waren fassungslos, wie Eltern ihren Kindern so was zumuten können. Unsere armen Eltern mußten sich allerlei anhören.
Zum Glück war es dunkel, als wir nach Hause kamen. Unser Aufzug war nicht gerade festlich. Als wir die Tür aufschlossen und in die Wohnung kamen, da jubelten wir.
Jetzt erst waren wir alle glücklich und zufrieden.
Das war ein schönes Weihnachtsfest.
Edeltraut Schlüter
Schottische Weihnachten
Mein erstes Weihnachtsfest fern von meinen Eltern und meiner Heimat verbrachte ich als Lernschwester in Glasgow.
Mit gemischten Gefühlen sah ich Weihnachten entgegen. Heimweh plagte mich, und ich fühlte mich so manches Mal in der Vorweihnachtszeit allein gelassen. Ich sehnte mich nach dem Duft der Weihnachtsbäckerei und erinnerte mich allzugern daran, wie wir Geschwister mit fieberhafter Spannung verfolgen konnten, wie die Anzahl der liebevoll verpackten Geschenke auf der Dielentruhe wuchs. Von Tag zu Tag wurden es in der Zeit vor Weihnachten mehr. Aber andererseits wuchs auch meine Neugier, sollte ich doch zum erstenmal ein schottisches Weihnachten verbringen.
Ich hatte in Glasgow eine Freundin gefunden, ebenfalls eine Lernschwester. Sie bemühte sich, all meine traurigen Gedanken zu verscheuchen, und versprach mir, in Schottland ein Weihnachtsfest zu erleben, an das ich mich später gern erinnern würde. Sie versprach mir nicht zuviel.
Weihnachten begann für mich mit einem langen, sehr schönen Telefongespräch meiner Eltern. Danach war ich befreit und munter und freute mich auf den Verlauf des Heiligabends. Es war gegen 17 Uhr. Auf den Stationen waren alle Türen der großen Krankensäle weit geöffnet. Überall brannten Kerzen. Wir Krankenschwestern legten unsere Capes an, welche außen blau und innen rot gefüttert waren. Am Heiligabend nun wendeten wir die Capes. So schritten wir ganz in Rot mit der brennenden Kerze in der
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