Weihnachtsgeschichten am Kamin 02
worden. Wir frühstücken ganz gemütlich und versuchen, den weiteren Tagesablauf, der fast jedes Jahr der gleiche ist, zu besprechen. Erst einkaufen gehen, sonst ist es überall so voll, versuche ich vorzuschlagen. Nein, ihr habt uns versprochen, daß wir erst den Tannenbaum holen, sagt Britta. Eins nach dem anderen, beschwichtigt mein Mann, und ich beginne schnell mit dem Abräumen. Was bekommt eigentlich Rudi zu Weihnachten, und darf er auch raus bei der Bescherung? Er gehört schließlich auch zur Familie, drängelt Christina. Wir werden sehen, meine ich und stelle mir vor, wie Rudi, unser Nymphensittich, die Bescherungszeremonie mit seinem Krähen und seiner Neugier bereichert. Britta stellt in diesem Zusammenhang fest, daß es grausam und herzlos sei, die arme Ente, die unser Weihnachtsessen krönen soll, nur wegen uns zu schlachten und mögen täte sie sie sowieso nicht! Ich aber, sagt Christina grinsend, und ich kann nicht umhin, eine gewisse Härte darin zu entdecken.
Nun ziehen wir vier los, den Baum zu holen. Wir haben ihn schon Wochen vorher gekennzeichnet, und jetzt wird er abgesägt. Unsere Kinder fanden in der Zeit einen, man kann sagen mageren Stengel mit ein paar Zweigen, der auch mal ein Baum werden sollte, und sind über alle Maßen traurig, daß dieser nie das Glück haben würde, als prächtig geschmückter Weihnachtsbaum in einer Stube zu stehen. Zu Hause angekommen, kramten beide in der Weihnachtskiste und verschwanden mit ein paar Sternen. Als sie zurückkamen, leuchteten ihre Augen. Wir haben das kleine Tannenbäumchen geschmückt. Nun sieht es nicht mehr so traurig aus. Auch aus unserem Baum wurde ein Prachtstück, und die Kinder meinten stolz, schade, daß er nicht für immer hier stehenbleiben kann.
Die Ente hat wider Erwarten auch unserer Britta gut geschmeckt, und zufrieden, aber sehr aufgeregt, verschwanden beide in ihren Zimmern. Um 20 Uhr war Einbescherung. Unsere Kinder hatten diesmal, anstatt ein Gedicht aufzusagen, zusammen ein Weihnachtslied auf der Blockflöte einstudiert. Auch Rudi gefiel es, und er stimmte mit Pfeifen und Krähen ein. Ihm gefiel auch der festlich gedeckte Tisch, so daß ich alle Mühe hatte, ihn aus den bunten Weihnachtstellern herauszubekommen. Nachdem nun alle ihre Geschenke bewundert hatten und wir noch Weihnachtslieder zusammen sangen, ließ auch das Kribbeln in meinem Bauch nach. Es wich einer wunderbaren inneren Ruhe und Dankbarkeit darüber, daß ich so glücklich sein darf mit dieser Familie.
Hans Nerenz
Ein weihnachtliches Abenteuer
Das, was wir Weihnachten zu Beginn der dreißiger Jahre erlebt haben, war wirklich einmalig. Ich war damals gerade sechs und mein Bruder zehn Jahre alt.
Wir hatten ein kleines Wochenendhaus auf Waltershof, das lag auf der anderen Seite der Elbe. Fast den ganzen Sommer verbrachten wir dort. Für uns Kinder war das ein Paradies. Aber im Winter sollte es dort noch schöner sein. «Einmaliges Abenteuer», so sagte unser Nachbar immer. Bei uns Jungen regte sich die Abenteuerlust. Wir malten es uns in den herrlichsten Farben aus. Schneehütten bauen, auf den Eisschollen herumschliddern, toll! Unser einziger Weihnachtswunsch war: Weihnachten auf Waltershof. Unsere Eltern hatten viele Einwände, sie waren nicht sehr begeistert. Schließlich gaben sie nach, und wir waren selig. Endlich war es soweit! Mein Vater kaufte zwei Tannenbäume. Einen größeren für die Wohnung und einen kleinen für Waltershof. Am Morgen des ersten Weihnachtstages ging es los. Wir hatten einen Blockwagen, und der wurde vollgepackt mit allem, was wir brauchten. Es war sehr kalt, ein eisiger Wind wehte. Unsere Begeisterung war schon etwas abgekühlt. Aber unsere Nachbarn waren ja bereits dort, und die wollten schon kräftig einheizen. Wir rumpelten mit unserem Blockwagen zur Anlegestelle. Kopfschüttelnd sah man uns nach. Auch auf dem Dampfer hielt man uns für eine merkwürdige Familie. Der «Fastmoker» war erstaunt, daß wir in Athabaskahöft aussteigen wollten. Mit unserem Wagen rumpelten und pumpelten wir dann los. Die übrigen Fahrgäste standen an der Reling und sahen uns grinsend nach. Wir waren nicht zu übersehen und nicht zu überhören. Hier war es noch viel kälter. «Es gibt Schnee», rief mein Vater. Aber es antwortete niemand. Bei dem eisigen Wind erstarb uns jedes Wort auf den Lippen. Das Abenteuer begann, aber die Lust war vorüber.
Nach fast einer Stunde erreichten wir unser Häuschen. Aber es war niemand da. Weit und breit auch
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