Weihnachtsgeschichten am Kamin 02
zusammengeschmolzen und jetzt staub- und rußdurchsetzt war und grau und häßlich aussah. Aber es war Wachs, und aus Wachs konnte man Kerzen machen. Viel mehr Kerzen als die eine, die uns laut Lebensmittelkarte zustand.
Bis ins Detail ist mir unsere dann eilends installierte Wachsgießerei im Gedächtnis. Aus biegsamem Karton — sogar, daß er von einem Kalender stammte, erinnere ich — wurden Formen ausgeschnitten: ein Kreis für den Boden; ein Rechteck, das zusammengebogen die Seitenbegrenzung für die entstehende Kerze darstellte. Boden und Seitenwand wurden verklebt, ein Wollfaden in die Mitte der Hohlsäule gespannt, und das flüssig gemachte Wachs, das beim Erhitzen recht unangenehm roch, wurde hineingegossen. Fast zwanzig Kerzen erhielten wir auf diese Weise — ein Schatz, wie ihn in jenen dunklen Nachkriegszeiten außer uns wohl nur eine Familie mit annähernd zwanzig Kindern ihr eigen nennen durfte.
Und alle zwanzig strahlten und leuchteten sie an unserem Nachkriegsweihnachtstannenbaum, den mein Vater durch stundenlanges Anstehen auch noch irgendwo ergattert hatte. Sie strahlten und leuchteten und gaben beim Brennen einen infernalisch dicken Dunst von sich, der unsere Wohnstube durchzog und die Luft fast bis zum Schneiden verdichtete.
Den Gestank habe ich längst vergessen und nahm ihn damals wohl nicht einmal wahr. Was mir geblieben ist, unverlierbar geblieben, das ist das Strahlen und Leuchten dieser selbstgegossenen Nachkriegsweihnachtstannenbaumkerzen, die in ihrer äußeren Unscheinbarkeit es fertiggebracht hatten, das Dunkel jener Zeit so unvergeßlich zu erhellen.
Rosemarie Exner
Riesengebirgs-Weihnacht
Meinen Kindern habe ich immer erzählt, wie wir zu Hause Weihnacht gefeiert haben.
Immer zur Weihnachtszeit gehen meine Gedanken weit fort ins Riesengebirge, in meinen Heimatort. Dort kam vor Weihnachten Knecht Ruprecht mit Rute und Sack, auch das Christkind war dabei, mit langem, weißem Kleid und goldenen Flügeln. Es fragte nach den Wünschen, die waren sehr klein, ein Püppchen und Süßigkeiten, das sollte es sein!
Nun endlich war Heilige Nacht, ob wohl das Christkind hatte alles gebracht? Doch bis zur Bescherung war noch lange Zeit, erst kam der Kirchgang, der Weg war weit, die Kirche war im Nachbarort. Der Schnee knirschte unter den Schuhen dabei, ab und zu fuhr ein Pferdeschlitten vorbei. An manchen Fenstern sah man den Weihnachtsbaum mit seinen brennenden Kerzen stehn. Welch eine Freude kehrte bei uns ein, würde es zu Hause auch so sein?
Zuerst ging es in den Stall, gefüttert wurde das Vieh, mit doppelter Ration, auch sie sollten merken, es weihnachtet schon. Der Vater ging in den Garten hinaus und lud die Bäume und Sträucher ein, auch bei uns Gast zu sein. Die alten Leute sagten: «Nach alter Sitte sprechen Vieh und Bäume in der Weihnachtsnacht, was ihnen das Jahr Gutes gebracht.» Als dieses nun getan, waren wir mit Essen dran. Blutwurst, Sauerkraut, Kartoffelbrei, Fleisch und Fisch standen auf dem Tisch, und die Mohnklößel durften auch nicht fehlen. Schnell wurde aufgewaschen und dabei gelauscht, ob das Christkind nicht gerade jetzt durch den Flur rauscht. Ein Glöckchen klingelte, die Mutter rief uns in das Zimmer, vor uns stand der Weihnachtsbaum in seiner ganzen Pracht mit Kugeln, Baumbehang und Kerzen. Die alten Weihnachtslieder wurden gesungen und jetzt die Geschenke ausgepackt.
Zum Schluß gab es noch Glühwein, Mohnsemmel und Pfefferkuchen. Als man dann im Bett lag, hoffte man etwas sehr Schönes zu träumen. Von der Weihnachtsnacht an und in den darauffolgenden 11 Nächten mußte man sich merken, was man geträumt hatte. (Jede Nacht stand für einen Monat im neuen Jahr.) Nur wenn man das Geträumte für sich behielt, ging es in Erfüllung.
Barbara Michalsky
Weihnachten!
O ja, Weihnachten! Wenn ich daran denke, bekomme ich ein seltsames Kribbeln im Bauch. Wir sind eine ganz normale Familie. Weihnachten beginnt bei uns am Heiligen Abend morgens beim Aufstehen. Mein Mann läßt sich durch dieses Fest nicht aus der Ruhe bringen. Nur alles ruhig angehen lassen, meint er. Ja, das ist leichter gesagt als getan. Christina, unsere jüngste Tochter, kommt um halb sieben und fragt, wann wir denn endlich aufstehen wollen. Ihre Augen haben schon jetzt einen seltsamen Glanz. Wir haben doch so viel Zeit, sagt mein Mann. Aber ich bin wach, und das Kribbeln im Bauch verstärkt sich. Britta, unsere Älteste, ist von ihrer Schwester auch schon «aus Versehen» geweckt
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