Weihnachtsgeschichten am Kamin 04
hinter sich gebracht und kamen auch gut durch die berüchtigte Biskaya. Nach dem Passieren der Kanarischen Inseln wurden die Tage heiß, und die Nächte wurden von den meisten Mitgliedern der Besatzung an Oberdeck verbracht, weil es unter Deck vor Wärme kaum auszuhalten war.
In so einer Nacht passierte es. Am Besanmast zeigte sich ein Elmsfeuer. Es knisterte und leuchtete fast eine Minute lang in seiner bläulichen weißen Flamme und ließ den Seeleuten an Bord trotz der Wärme das Blut in den Adern gefrieren.
Alle wußten jetzt, daß diese Reise unter einem schlechten Stern steht und kein gutes Ende nehmen wird.
Aber die Bordroutine vertrieb die trüben Gedanken. Unter der Ausnutzung des Brasilstromes kamen sie unbeschadet und schnell durch die brüllenden Vierziger und umrundeten das Kap Horn. Es zeigte sich wieder mal, daß die «Elfrieda» ein gutes und handiges Schiff war und die Besatzung aus erfahrenen Seeleuten bestand.
Unter dem Schutz der Küste Chiles laufend, erreichten sie fünfundachtzig Tage nach Verlassen des Kanals den Hafen von Valparaiso. Die Liegezeit von zwölf Tagen wurde von den Seeleuten natürlich ausgiebig genutzt. Wer keine Tätigkeit an Bord verrichten mußte, ging an Land und brachte seine Heuer unter die Leute.
Nur Heinrich Bessen beteiligte sich nicht an diesen Gelagen, denn er dachte immerzu an seine Lina in Hamburg und an das dunkle Vorzeichen, das ihnen im Südatlantik soviel Furcht eingeflößt hatte.
Und noch etwas Ungewöhnliches geschah. Beim Ablegemanöver sprang im letzten Moment der treue Bordhund Pico mit einem riesigen Satz an Land und wurde nie wieder gesehen. Vielleicht spürte er das nahende Unheil.
Die Roaring Forties zeigten sich bei der Rückreise von ihrer unfreundlichen Seite, und die Besatzung hatte alle Hände voll zu tun, um sicher und ohne Havarie ums Kap Horn in den Südatlantik zu kommen.
Wegen des schlechten Wetters liefen sie durch die Magellanstraße, um dann zwischen den Falkland-Inseln und Argentinien in freundlichere Gewässer vorzustoßen. Nach Passieren des 40. Breitengrades beruhigte sich das Wetter, und es ging mit gutem Wind Richtung Norden.
An Bord bereitete man sich jetzt auf das bevorstehende Weihnachtsfest vor. Die Mannschaftsmesse wurde mit Bordmitteln ausgeschmückt, und aus der Kombüse kam ein Geruch, wie ihn ein Seemann nur von zu Hause her kannte. Der Alte hatte ein Schwein zum Schlachten freigegeben, und die Stimmung der Besatzung war in Höchstform.
Der 24. Dezember begann wie die anderen Tage vorher mit einem herrlichen Sonnenaufgang. Die See war ungewöhnlich ruhig für diese Jahreszeit und der Kapitän machte sich schon etwas Sorgen um seinen Zeitplan.
An diesem Morgen erschien der Kapitän mit ernstem Gesicht an Deck und befahl der Besatzung, das Schiff für einen schweren Sturm seeklar zu machen. Das Barometer fiel wie ein Stein, und auch die Temperatur hatte merklich abgenommen; obwohl der Himmel strahlend blau war und der Horizont klar zu erkennen — war dies ein untrügliches Zeichen für ein aufziehendes Unwetter.
Fluchend ging die Besatzung an die Arbeit, weil nun der Braten in weite Ferne gerückt war. Es wurden an Deck Strecktaue gespannt, die Ladung nochmals festgezurrt und die Takelage einer genauen Kontrolle unterzogen.
Das alles passierte keine Stunde zu früh. Denn kaum waren sie mit ihrer Arbeit fertig, verschwand die Sonne hinter einem milchigen Wolkenschleier, der Horizont war nicht mehr klar zu erkennen, die ehemals tiefblaue See färbte sich grasgrün, und die eben noch hellgrauen Wolken wurden zusehends dunkler. Obwohl die Uhr die Nachmittagszeit anzeigte, war es dunkle Nacht. Es herrschte Totenstille. Die an den unteren Rahen befestigten Sturmsegel hingen schlaff herunter. Doch plötzlich hörte man etwas. Es war ein leises Rauschen, das sich langsam immer lauter werdend dem Schiff näherte. Es fuhr ein Wind in die Segel, der der Takelage und den Wanten ein noch nie gehörtes Geräusch entlockte.
Es war ein Heulen und Jaulen wie von einem gequälten Tier, und dann brach mit einer Urgewalt ein Sturm auf das Schiff herein wie es noch keiner der Mannschaft je erlebt hatte. Die Sturmsegel flogen mit lautem Knall in Fetzen davon, und in die wild um sich schlagende Takelage donnerte die erste überkommende See. Schwer legte sich das Schiff auf die Seite. Mit Entsetzen hörte die Mannschaft das Donnern aus dem Laderaum. Ein Teil der Ladung hatte sich losgerissen und verstärkte noch die Schlagseite. Die
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