Weihnachtsgeschichten am Kamin 04
Feiernden.
Dieses Geschenk wiederholte sich jedes Jahr. Dank und Freude darüber ließen nicht nach. Die Erinnerungen an die schönen und bescheidenen Weihnachtsfeste mit meiner Mutter bleiben und werden immer von neuem die Zukunft bereichern.
Erika Wojakilowski
Der wahre Weihnachtsmann
Wieder einmal war es soweit: Wir hatten den 24. Dezember. Heiligabend, der Tag, an dem Christus geboren wurde, jährte sich. Heiligabend, das ist aber auch das Fest der Kinder und damit der Tag jenes Gesellen, der gemeinhin als Weihnachtsmann bekannt ist. Nun ist das mit diesem Weihnachtsmann so eine Sache. Jahrelang geistert er durch die Köpfe der lieben Kleinen, um dann urplötzlich von der Bildfläche zu verschwinden. Allen Naturgesetzen zum Trotz vollbringt er dabei die tollsten Kunststücke. So schwebt er zum Beispiel mit einem Schlitten durch die Luft, ohne dabei abzustürzen. Eine Tatsache, die so manchen Piloten und Konstrukteur alle Jahre wieder ins Grübeln bringt. Ja, er bringt es sogar fertig, dieses Gefährt in dichtbesiedelten Wohngebieten sicher zu landen, um anschließend damit über knochentrockene Straßen zu rattern. Oder die Sache mit dem Schornstein, er plumpst trotz beachtlicher Leibesfülle durch die engsten Schlote, und erscheint doch mit schneeweißem Bart und sauberen Klamotten in den Wohnstuben. Diesen Schornsteintrick schafft er sogar bei Häusern mit Zentralheizung. Außerdem hält er sich an keinerlei Geschwindigkeitsbegrenzung, denn alle Kinder von Grönland bis Australien in einer Nacht zu beschenken, das ist nur mit Lichtgeschwindigkeit zu realisieren. Dies alles ist möglich, weil der Glaube buchstäblich Berge versetzt. Doch, wenn bei den Kindern die ersten Zweifel aufkommen, ja, wenn er verleugnet oder sogar ausgelacht wird, dann muß der arme Geselle zwangsläufig von den Eltern liquidiert werden.
Bei uns in der Familie war der Verlauf ähnlich. Seit unsere Tochter zweieinhalb Jahre alt war, kam mit schöner Regelmäßigkeit am 24. Dezember der Weihnachtsmann hereingeschneit. Er war schon ein stattlicher Kerl, dieser Weihnachtsmann, der uns da heimsuchte. Zwar lief er schon ein wenig gebeugt und klagte über das eine oder andere Gebrechen auf Grund seines hohen Alters, was seinem Image aber nicht schadete. Mit seinem weißen Bart, den rollenden Augen, der grollenden Stimme und seiner Kleidung (scharlachroter Mantel und schwere Bundeswehrstiefel) war er schon eine imposante Erscheinung. So stapfte er denn jedesmal mit einem leutseligen «moin, moin» zur Tür herein. Dieses «moin, moin» sowie andere, offensichtlich unbeabsichtigte plattdeutsche Fehltritte ließen natürlich Rückschlüsse auf seine Herkunft zu. Er war jedenfalls immer mächtig gut drauf, flirtete mit der Mama, machte der Oma Komplimente und drohte dem Papa und dem Opa regelmäßig mit der Rute. Unsere Tochter war natürlich sehr beeindruckt, obwohl sie sich auch immer ein wenig fürchtete. Sie freute sich an diesem Tag immer gleich zweimal, einmal, wenn der Weihnachtsmann hereinpolterte und zum zweitenmal, wenn er nach getaner Arbeit wieder das Weite suchte.
Als das aufgeweckte Kind siebeneinhalb Jahre alt war und zur Schule ging, überlegten wir schon im Vorfeld von Weihnachten, ob wir dem Weihnachtsmann schon in diesem — oder erst im nächsten Jahre kündigen sollten. Die Reaktion unserer Tochter bestärkte uns allerdings in dem Beschluß, die Kündigung zu verschieben. So lief die Show dann auch wie gewohnt ab. Nachdem der Weihnachtsmann verschwunden war, waren wir alle zufrieden und mit dem Auspacken der Geschenke beschäftigt. Nebenbei versuchten wir uns im Singen von Weihnachtsliedern und diskutierten über Weihnachten schlechthin. Doch plötzlich wurden wir aufgeschreckt, denn es klingelte an der Haustür. Bevor jedoch jemand von uns öffnen konnte, flog die besagte Tür auf und Schritte, begleitet von Ächzen und Stöhnen, polterten über den Flur. Wir hatten uns noch nicht von unserem Schrecken erholt, da wurde auch schon die Tür zur Wohnstube aufgerissen und ein Zwerg stapfte herein. Er hatte einen langen Bart, der aussah, als ob er frisch aus dem Wattespender käme. Bekleidet war mit einem weißen Bademantel mit roten und blauen Streifen. Die Kapuze des Mantels hatte er tief ins Gesicht gezogen. Seine Füße steckten in offensichtlich zu großen Stiefeln mit beträchtlich hohen Absätzen. Der kleine Kerl lief ganz krumm, da er sich mit einem Kartoffelsack abmühte, welcher schon seit einigen Wochen auf
Weitere Kostenlose Bücher