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Weihnachtsgeschichten am Kamin 04

Weihnachtsgeschichten am Kamin 04

Titel: Weihnachtsgeschichten am Kamin 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Friedrichsen , Ursula Richter
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im sibirisch kalten-Winter 1945 / 46 als Flüchtlinge in Meißen. Wir wohnten in der Nähe der in den letzten Kriegstagen gesprengten Elbbrücke in einem feuchten, dunklen Stübchen. Ich war neunzehn, halbverhungert und sah wie fünfzehn aus.
    Seit Wochen hatten wir keine Bezugsscheine für Holz und Kohle bekommen. Tauschobjekte hatten wir nicht und auch keine Freunde, bei denen wir ein paar Briketts hätten leihen können. Heiligabend froren wir genauso bitterlich wie immer, und ich überlegte fieberhaft, wie ich uns wenigstens zum Christfest zu ein bißchen Wärme verhelfen könnte.
    Am späten Abend nahm ich meinen ganzen Mut zusammen, einen Kartoffelsack in die Hand und schlich zur Brücken-Baustelle, um etwas Sägemehl zu organisieren. Das war natürlich verboten und wurde streng bestraft. Außerdem wurde die Brücke nachts von russischen Soldaten bewacht. Ich sah auch gleich einen dick vermummten Posten mit dem Gewehr im Arm seine Kreise ziehen.
    Als er mir den Rücken zukehrte, warf ich mich blitzschnell unter die nächste Kreissäge und schob mit den Händen eilig das Sägemehl zusammen.
    Plötzlich tauchten vor meinen Augen zwei Militärstiefel auf, und ein Mongole beugte sich zu mir herab. Er musterte mich schweigend, dann nickte er verstehend und winkte mich zu sich hin. Schlotternd vor Angst kroch ich hervor, und ich sah mich schon dem wirklich kalten Sibirien entgegenrollen. Der Soldat ging aber nur zum Schuppen, kam mit einer Schaufel zurück und bedeutete mir, den Sack aufzuhalten. Nicht, ohne sich vorher aufmerksam umgesehen zu haben.
    Inzwischen hatte ich meine Stimme wieder und dankte ihm auf Russisch für seine Hilfe. Sein freundliches breites Gesicht strahlte, als hätte ich ihm ein Geschenk gemacht. Flüsternd verriet er mir, daß er lieber daheim wäre bei seiner Frau und bei seiner Tochter, die fünfzehn Jahre alt sei. Und er fügte die himmlisch klingenden Worte hinzu: Komm gleich wieder und hol noch mehr.
    Viermal stopfte er mir den Sack mit Holzkloben voll. Vom Sägemehl hielt er nichts. Bevor ich den letzten Sack davonschleifte, wünschten wir uns ein langes und gesundes Leben.
    Meine Mutter konnte endlich den vorsintflutlichen Küchenherd zum Glühen bringen, wir sahen unseren Atem nicht mehr als zwei weiße Säulen zur Decke schweben, die Wände hörten auf zu glitzern und die klammen Federbetten trockneten langsam.
    Aus Grieß, Wasser und Kunsthonig backte meine Mutter in der völlig fettfreien Pfanne eine Art Kuchen, und ich zündete unsere zwei einzigen Kerzenstümpfe auf einem Tannenzweig an.
    Als um Mitternacht die Glocken vom Dom zu uns herüberklangen, dankten wir Gott für diesen wundersamen Schutzengel aus der fernen Mongolei. Und durchwärmt bis in die Zehenspitzen sangen wir besonders andächtig unsere schönen alten Weihnachtslieder.

    Georg Thies

Weihnachten 1963

    Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll, beim Schiff oder bei der Mannschaft?
    Also das Schiff! Sein Name war «Amilie T», und es war ein 103846 BRT Frachtschiff, das heißt 15 480 TDW.
    «Amilie T» hatte eine proportionierte Form, wenn man das von einem Motorschiff sagen könnte. Die Mannschaft war seit einem halben Jahr an Bord, der war umgänglich und die Steuerleute und Maschinisten auch. Bootsmann und Zimmermann waren trinkfest und immer für einen Scherz zu haben.
    Der Smutje hatte immer was im Topf, so war die Mannschaft zufrieden. Und nicht nur die Mannschaft, sondern auch zehn Passagiere, das heißt nicht zehn, sondern neun und ein . Der war Thomas, fünf Jahre jung und Sohn eines Flamburger Kaufmanns, der mit seiner Mutter auf der Fahrt nach Brasilien war — zum Vater!
    Unser Schiff war auf der Flöhe von Dakar, als der Junge beim Mittagessen den Kapitän fragte, wie der Weihnachtsmann ihn wohl finden werde — denn wir hatten den 22. Dezember, also zwei Tage vor dem Heiligabend — und wie er denn zu seinen Geschenken komme.
    Zuerst sagte der nichts, und dann erzählte er dem Jungen was von einem Stellvertreter. Der Junge fragte nach, wer denn das sei? Der Kapitän meinte: «Wir sind Heiligabend am Äquator, und da bringt Neptun der Klabautermann dir deine Geschenke.»
    Am 24. Dezember, nachmittags um vier Uhr, stoppte das Schiff, und im Vorschiff, im Kabelgat, begann ein Höllenlärm!
    Dann kamen sie an Deck, zuerst die Mohren, dann der Doktor, der Pastor und Neptun mit Frau Tete.
    Neptun fing gleich an zu grollen und zu schimpfen, daß er sich nie daran gewöhnen werde,

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