Weihnachtsgeschichten am Kamin 04
Betrachtung des Wasserfalles und beim Hören des leise rinnenden und tropfenden Wassers wurde die Phantasie beflügelt, und wir glaubten eine leise Musik zu hören.
Nun war es langsam Zeit für eine Tasse Kaffee geworden. So stapften wir auf dem von uns gebahnten Weg zum Futterplatz zurück und von dort weiter zum Haus. «Jauerscher Bienenkorb», ein pikantes Makronengebäck, und heiße Milch wurden von uns Kindern mit Heißhunger verzehrt.
Viel zu schnell war die Zeit vergangen, und wir verabschiedeten uns von den Hausbetreuern, um wieder in unsern Pferdeschlitten zu steigen. Wieder wurden wir mollig warm eingepackt, und die Fahrt begann. Begleitet vom Schellengeläut und dem Schnauben der Pferde, manchmal hörten wir das Knirschen der Schlittenkufen im Schnee, fuhren wir auf direktem Weg zügig bergab.
Der Ring, unser rechteckiger Rathausplatz mit den hohen und breiten Hauslauben, grüßte uns in der abendlichen Dunkelheit mit vielen Lichtern. Der große Tannenbaum und der angestrahlte Rathausturm zogen unseren Blick wie magisch an. Viel zu schnell waren wir in der Barbarastraße, bei uns zu Hause, angekommen.
Unter all den schönen Eindrücken der Schlittenfahrt und des Spazierganges hatten wir die eigene Bescherung fast vergessen. Jetzt beim Abendessen, es gab Weißwurst und Klöße, stellte sich die Ungeduld und Spannung wieder ein.
Als wir dann mit den Eltern und Großeltern singend um den Weihnachtsbaum standen und unsere handgefertigten Geschenke auspackten, gingen unsere Gedanken immer wieder zum Nachmittagserlebnis zurück. Manchmal klangen in unseren Liedern die gefrorenen Eisorgelpfeifen des Wasserfalles mit. Es war wie ein Wintermärchen.
Andreas Haarmann
Mein unvergessenes Weihnachtserlebnis
Wenn meine Eltern mich auch lehrten: geben sei seliger denn nehmen, habe ich mich immer von Herzen gern beschenken lassen — wobei ich natürlich auch Geschenke machte.
Im letzten Jahr zu Weihnachten, ich war sechzehnJahre alt, machte ich eine für mich fast für unmöglich gehaltene Erfahrung. Dazu muß ich etwa zweiJahre zurückgreifen, um mein Verhalten zu dieser Weihnacht besser erklären zu können.
Damals, ich war vierzehn Jahre alt, ein Alter, in dem man mit Gott und der Welt, mit Eltern, Lehrern und Geschwistern hadert, wo man sich so richtig unverstanden fühlte, lernte ich in unserem Ort einen Frühinvaliden kennen, der ohne Familie in einem ausgebauten Stall wohnt, so richtig noch mit Kohleofen und Herzhäuschen auf dem Hof, aber mit unendlich viel Zeit, Geduld und Verständnis für mich. Ich war fast jeden Tag bei ihm, fühlte mich wohl, geborgen und vor allem verstanden. All meine Probleme hörte er sich an und hatte viel Verständnis für mich; ich merkte damals nicht einmal, daß er mit den gleichen Antworten, wie auch meine Eltern sie mir gaben, auf meine sogenannte Unverstandenheit einging.
Er war einfach nur gelassener als Eltern es vielleicht jemals sein können. — Kurzum, er war mein Freund, der mir mit Zuhören half, bis der Tag kam, an dem ich ihn nicht mehr brauchte, ihn aber nicht im Stich ließ, nur meine Besuche wurden etwas seltener, ich war ja auch sechzehn Jahre mittlerweile, und die Welt hatte sich mir oder ich mich ihr angepaßt.
Nun stand Weihnachten 1987 vor der Tür. Meine Mutter erinnerte mich beim Päckchenpacken und Schmücken an meinen einsamen Freund und wollte ihn über einen Festtag zu uns nach Hause einladen. Ich aber wußte, daß er eine solche Einladung nicht annehmen würde, er würde sich eher beschämt fühlen, und damit hatte ich recht. Meine Eltern ließen mir keine Ruhe, ihm wenigstens ein kleines Geschenk zu machen, ihm zu zeigen, daß ich an ihn denke, daß ich ihn nicht vergessen habe, er war ja auch einmal für mich da. Nach anfänglichem Sträuben meinerseits entschloß ich mich zu einem sehr banalen Geschenk, nämlich einer Flasche Rum, wußte aber, daß ich ihm damit eine Freude bereiten würde; es sollteja auch nur eine Geste sein, die ausdrückt: Du, ich habe Dich nicht vergessen.
Ich radelte Heiligabend am frühen Nachmittag mit meiner weihnachtlich verpackten Flasche zu ihm. Zögernd öffnete er mir die Tür - er war auf Besuch an solch einem Tag, wo nur die Familien traut zusammensaßen, nicht gefaßt — , und ich drückte ihm mit ein paar netten Worten, die man so sagt, wenn Weihnachten ist, mein Geschenk in die Hand. Ich hatte nicht geahnt, welche Gefühle dieses einfache Geschenk bei ihm auslöste. Voller Ergriffenheit tat er etwas,
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