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Weihnachtsgeschichten am Kamin 04

Weihnachtsgeschichten am Kamin 04

Titel: Weihnachtsgeschichten am Kamin 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Friedrichsen , Ursula Richter
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Gesicht. War das kalt! Mutti band mir meinen Schal fest über den Mund. Nun konnte ich nichts mehr fragen. Langsam gingen wir den Weg zurück. Wir kamen kaum voran. Der Sturm blies uns fast um. Und stockdunkel war es! Mutti schaute zum Himmel hoch und zählte die Sterne. Die Schneeflocken fielen dichter und manchmal einem direkt ins Auge. Zum Rutschen hatte ich keine Lust mehr. Mutti sprach mit einer besonderen Stimme: «Jetzt sieh dir den Himmel an. Es ist der Weihnachtshimmel; da kann man sich etwas wünschen.» Was sie sich wünschte, sagte sie nicht. Aber ich schob meinen Schal vom Mund, redete laut mit dem Weihnachtsmann und zählte meine Wünsche auf. «Wohnt der Weihnachtsmann überall im Himmel? Dann hat er aber eine Riesenwohnung.»
    Zwei Schneefrauen kamen erschöpft zu Hause an. Ich drückte kräftig auf die Klingel. Es dauerte lange, bis geöffnet wurde. Aus dem Radio erklang ein Weihnachtslied. Schnell putzte ich die Stiefel ab, zog sie mit Muttis Hilfe aus, holte meine Hausschuhe, hielt Mutti meinen nassen Mantel hin und hing an Papas Hals. Er hockte krumm vor der angelehnten Wohnzimmertür und läutete mit einem Glöckchen. «Papa, war der Weihnachtsmann da?» Papa nickte geheimnisvoll. Seine Stimme klang tief: «Ach, Kleines. Kurz bevor ihr kamt, klingelte er. Er war müde und durchgefroren. Wir tranken noch einen Grog zum Aufwärmen. Er konnte nicht mehr auf euch warten wegen der vielen anderen Kinder.» «Aber dir war doch nicht kalt, nicht Papa?» — «Nein, aber so unhöflich konnte ich doch nicht sein.» Papa klingelte noch einmal und zog mich in die Weihnachtsstube. Ich sah einen großen Tannenbaum, der bis zur Decke reichte, nicht so klein wie der auf dem Tisch bei Oma Anna, mit brennenden Kerzen, Lametta, bunten Kugeln, Engeln! Dann sah ich einen Kaufmannsladen, so groß, daß ich mich hineinstellen konnte. Auf der Theke eine Waage mit Gewichten, Tüten, Schaufeln, eine Uhr mit verstellbaren Zeigern! Die Schubladen waren voll echter Lebensmittel: Mehl, Zucker, Salz, Reis, und es gab viele Päckchen und Flaschen. Und das alles war für mich! «Guck nur, hier ist noch etwas für dich», sagte Mutti. Die Puppe aus dem Spielwarengeschäft! Blonde Zöpfe, himmelblaue Schlafaugen und Puppenzeug, das Oma Anna genäht hatte.
    Ich sah meinen Papa und meine Mutti und die Weihnachtsstube wie durch einen Schleier. In meinem Kaufmannsladen spielte ich kaufen und verkaufen. Später am Abend wurden mir die Augenlider immer schwerer, aber ich riß meine Augen weit auf. Ich wollte vom Heiligen Abend keinen Augenblick verpassen.

    Uwe Bernzen

Der Großbrand

    Wenn ich in meinen Weihnachtserinnerungen krame, fällt mir zuerst der Großbrand bei der Familie Lübbendorf ein. Die Feuerwehr hat dieses weihnachtliche Ereignis damals sicher nicht Großbrand genannt, aber für uns Kinder war es durchaus ein solcher.
    Die Lübbendorfs waren in unserer Gegend weit und breit die reichste, aber leider auch die hochnäsigste Familie. Das führte dazu, daß wir Straßenkinder — wie wir von diesen Leuten genannt wurden — die Kinder dieser ehrbaren Familie ärgerten und drangsalierten, wo und wann wir ihrer habhaft wurden. Wir wunderten uns deshalb auch nicht, daß die blassen Knaben Ferdinand und Adalbert Lübbendorf immer nur in ihrem parkähnlichen Garten, der von einem hohen schmiedeeisernen Zaun umgeben war, spielten. Wir warfen ihnen nur ab und an ein paar unfrohe Worte hinüber und manchmal auch etwas härtere Dinge. Ihre große Schwester Friederike hingegen erschien nur selten in dem Garten, sie spielte nicht, sondern lustwandelte nur.
    Der Heilige Abend war gekommen. Meine Familie hatte sich zur Bescherung um den Tannenbaum versammelt. Gerade war das «Stille Nacht» verklungen, das Weihnachtsevangelium vorgelesen, und wir schickten uns an, uns die Geschenke zu überreichen, als auf unserer stillen Straße das Martinshorn der Feuerwehr erklang. Das Blaulicht durchzuckte unschön die festliche Nacht, und es entstand dort unten offenbar ein großes Getümmel.
    So aufregend es nun ist, Weihnachtsgeschenke zu bekommen, aufregender ist natürlich, ein Feuer mitzuerleben. Ich rannte, ohne weiter zu fragen, sofort auf die Straße und stellte fest, daß es bei Lübbendorf brannte. Die Feuerwehrleute liefen mit den Schläuchen zum Hydranten, und hinter den großen Fenstern der üppigen Lübbendorfschen Villa sah ich deutlich züngelnde Flammen, so wenigstens habe ich das in Erinnerung. Es war alles furchtbar aufregend.

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