Weihnachtsgeschichten am Kamin 04
Mal auf Heimaturlaub bei uns. So blieb uns nur das Foto, das einen uniformierten, lustig blickenden Mann zeigte, den wir nicht kannten. Meine Mutter setzte natürlich alles in Bewegung, um über seinen Verbleib Auskunft zu erhalten. Jedoch weder das Rote Kreuz, noch Wahrsagerinnen konnten helfen.
Trotz aller Trostlosigkeit und bangen Wartens, wollte uns meine Mutter ein besonderes Weihnachtsfest gestalten; und deshalb sollte es — wie früher zu Hause — richtigen Heringssalat geben.
Sie versuchte also rings herum in allen möglichen Geschäften die kostbaren Salzheringe zu ergattern. Jedoch ohne Erfolg. Dieser Salat war das wichtigste Gesprächsthema geworden; und deshalb waren alle enttäuscht, daß daraus nichts wurde.
Doch es sollte anders kommen: Eine Woche vor Weihnachten kam meine Schwester ganz aufgeregt aus der Schule nach Hause. «Mutti, Mutti», rief sie, «es gibt beim Kaufmann Salzheringe, es stehen schon ganz viele Leute dort.» Hastig zog sich meine Mutter an. Als sie gerade zur Tür hinausstürzen wollte, hielt ihr meine Schwester eine abgewetzte, leicht zerknitterte Karte mit den Worten hin: «Ach ja, und Papa hat geschrieben.»
Natürlich wurde aus dem Heringssalat an diesem Weihnachtsfest nichts. Zu groß war die Aufregung und Freude, ein Lebenszeichen von unserem Vater zu haben. Die Karte hatte uns nach langer Zeit aus russischer Gefangenschaft erreicht. Auf ihr standen nur fünf Worte: MIR GEHT ES GUT, PAPA.
Ein paar Monate später kam er tatsächlich nach Hause.
Seit dieser Zeit hieß es immer, wenn meine Mutter Heringssalat servierte: «Ach ja, Papa hat geschrieben!»
Irene Sidau
Große Aufregung am Heiligabend
Omi und Opa kamen mit einem Wäschekorb voller Geschenke, über die eine Decke gebreitet war, die Treppe rauf. Rena hatte sie schon gehört und ließ sie leise ein, damit die Kinder nichts bemerkten. Die Tür zum Weihnachtszimmer war noch nicht ganz geschlossen, da war die vierjährige Tina auch schon im Korridor. Rena schloß mit einer Hand die Tür hinter den Großeltern, mit der anderen erwischte sie Tina im Nacken, die schrie: «Ich will ja gar nicht gucken, ich muß mal!» Nachdem Omi und Opa nun ihre Mäntel ausgezogen hatten, wollten Rena und Horst endlich in Ruhe den Baum schmücken, doch die drei Kinder waren überall im Wege. Die Unterstützung durch die Großeltern war daher sehr willkommen. Rena meinte: «Omi, hier hast du Lametta und auf dem Tisch ist noch mehr. Ich muß auch noch die Bunten Teller fertig machen!»
Danach raste Rena über den Flur, um in der Küche die Weihnachtsgans zu begießen, die im Ofen schmorte.
Überall standen Tüten mit Süßigkeiten, Nüssen und Marzipan für die Teller und für den Baum. Es war wie immer: alles viel zu spät. Die Kinder ungeduldig und voller Erwartung, die Eltern mit den Nerven fertig und am Baum war noch nicht eine Kerze.
In den vergangenen Jahren waren Omi und Opa um diese Zeit mit den Kindern zur Weihnachtsmesse gegangen. Warum das diesmal anders war, wußte keiner so recht. Wahrscheinlich war es einfach ein Fehler in der Organisation. Horst sah sich in dem Durcheinander um, stellte die Leiter zum Befestigen der Kerzenhalter und Kerzen dicht an den Baum, der diesmal besonders groß war. Erst einmal wollte er die schöne silberne Baumspitze anbringen. Er sah Opa an und meinte: «Wie wär’s, wenn du mit den Kindern ins Kinderzimmer gehen und ihnen ein paar Weihnachtsgeschichten vorlesen würdest? Damit wäre schon viel geholfen!»
Er machte die Tür auf, vor der er Tina schon wieder beim Lauschen erwischte. Anja und Ruth standen wartend in der offenen Kinderzimmertür. Sie erhofften offensichtlich einen spannenden Bericht von Tina. Horst erhob seine Stimme, er brüllte nicht, es war ja Heiligabend, und rief: «So, nun ist es aber genug! Jetzt wird Opa euch etwas vorlesen und ihr bleibt alle zusammen im Kinderzimmer bis zum Läuten des Weihnachtsglöckchens, und damit Tinas ewiges Rumrennen und an der Tür Horchen endlich vorbei ist, wird die Tür abgeschlossen!»
Opa nahm die Enkelinnen leise schmunzelnd unter seine Fittiche und verschwand mit zwei Weihnachtsbüchern gerüstet hinter der Kinderzimmertür. Bald hörte Rena, wenn sie in die Küche ging, um den Braten zu begießen, Opas beruhigende Stimme durch die Tür.
Später wußte keiner, wer denn eigentlich die Tür abgeschlossen hatte. War das von außen geschehen, oder hatte Opa innen abgeschlossen?
Im Weihnachtszimmer wurden die letzten Kerzen
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