Weihnachtsglanz und Liebeszauber
Mit dem legte man sich lieber nicht an, der machte einen nämlich auf so eine feine fiese Art fertig, gegen die man sich nicht wehren konnte – wer war jetzt der arme Kerl, der Ebi geärgert hatte?
Jule trat mir auf den Fuß. »Sag schon, Ally!«
»Was denn?«
»Mir scheint«, ließ sich jetzt Ebi vernehmen, »Fräulein Ally ist nur mit ihrem Körper anwesend. Ihr Geist jedoch schwebt noch über dem grünen Gras der Prärie.«
Die Jungs kicherten; ich schluckte: Verdammt, was ging hier eigentlich vor? Jule schob mir ihr Heft zu, aber ich war so verwirrt dass ich nichts lesen konnte.
»Ich warte, Ally«, sagte Ebi Rattelhuber.
Worauf wartete er?
»Ich … mir ist schlecht, Herr Rattelhuber. Kann ich raus?« Ohne seine Antwort abzuwarten, sauste ich aus dem Zimmer, den Gang entlang, die Treppe hinunter und ins Klo. Ich donnerte die Tür hinter mir zu, schloss ab und setzte mich auf den Klodeckel. Und dann heulte ich erst mal.
Ich heulte noch, als es zur großen Pause klingelte. In wenigen Sekunden würde jede Menge Mädchen hereinkommen, sich vor den Spiegeln die Lippen nachziehen und die Haare kämmen und die übelsten Vermutungen anstellen, wenn sie mich so verheult sehen würden.
Das ging nicht, das musste ich vermeiden.
Ich schloss auf und kühlte mein Gesicht mit eiskaltem Wasser. Dann straffte ich die Schultern, ging raus und kaufte mir eine Butterbrezel.
Jemand fasste mich am Arm. »Mensch, Ally! Was ist heute los mit dir?« Jule sah echt besorgt aus. »Ist dir wirklich schlecht? Hast du deine Tage? Oder Kummer? Liebeskummer etwa?«
»Iiiich? Wie kommst du darauf?« Wütend biss ich in die Brezel.
Meine beste Freundin kannte mich. Sie starrte mich ein paar Sekunden an, runzelte dann die Stirn und schloss entsetzt die Augen. »Ich fass es nicht. Du hast Liebeskummer. Es ist der Wikinger. Stimmt’s?«
»Stimmt nicht. Es ist wegen Rese.«
Jule schnappte nach Luft. »Sie hat ihn sich echt gekrallt? Einfach so?«
Ich hob die Schultern. »Und wenn schon…?!«
»Das Biest!«
Ich liebe Butterbrezeln, aber an diesem Morgen schmeckte die Brezel wie Stroh. »Er hat sich wegschnappen lassen.«
»Das hast du schon mal gesagt. Jetzt ist’s endgültig, was?«
Ich nickte. »Ich ziehe aus. In drei Jahren mache ich die Fliege.«
»Klar. Gegen Rese kommst du nicht an. Niemals. Würde ich auch nicht.« Jule hatte einen Pickel am Kinn. Sie rieb daran herum, obwohl jedes Mädchen weiß, dass das nicht gut ist.
»Ich ärgere mich nicht über Jan. Ich ärgere mich über meine Schwester«, wiederholte ich heftig.
»Im Grunde genommen hast du recht. Konkurrenzvermeidung ist die beste Lösung. Aber drei Jahre sind eine lange Zeit.«
»Na und? Dann bin ich sechzehn. Mit sechzehn bin ich noch nicht zu alt für einen Freund. Die Frage ist nur –«
»Ja?«
Mitten zwischen den Jungs aus der 9b stand Jan Jörk. Kein einziges Mal sah er zu mir rüber. Aber er sah auch kein einziges Mal zu Rese rüber, obwohl die mit ihren Freundinnen keine drei Meter von ihm entfernt stand.
»Die Frage ist nur – ?« wiederholte Jule.
»Ich will ihn nicht. Echt, Jule. Die Frage ist nur – wie krieg ich den Typ aus meinem Kopf?«, fragte ich verzweifelt.
»Such dir einen Lover, der’s wert ist«, entgegnete Jule sofort.
»Ha-ha«, machte ich. »Wo ich doch überhaupt keinen Freund will.«
»Quatsch. Das sagst du nur so.« Jule schwieg eine ganze Weile, dann hob sie die Hand und streckte den Daumen hoch. »Ich sehe drei Möglichkeiten. Erstens: Du könntest mit deiner Mutter über das Problem reden. Zweitens: Du könntest Rese ein Bein stellen, dann bricht sie sich den Fuß, liegt monatelang im Bett und du hast freie Fahrt. Drittens: Du könntest dir einen so fiesen Plan ausdenken, dass sie sich niemals mehr einen Jungen krallt, der dir gefällt. Und viertens: Du könntest mit Jan reden und ihm sagen, dass Rese schon Freunde hat. Such’s dir aus, Ally.«
»Jan weiß, dass Giselbert Reses Freund ist. Nick hat’s ihm gesagt.«
»Und trotzdem fährt Jan auf sie ab? Mensch, Ally! Der Typ ist doch bescheuert!«
»Sag ich doch! Um den ist’s nicht schade.«
»Ne, wirklich nicht. Sei froh, dass du das gleich zu Anfang mitbekommen hast.«
»Ja«, sagte ich und schenkte ihr den Rest der Brezel.
Das einzig Erfreuliche an diesem Tag war unser Dackel. Pünktlich zum Stallgang leckte er Hektor liebevoll über die Schnauze, dann rannte er raus und heftete sich meinem Pa und Benno an die Fersen. Ganz so, als wollte er sagen: »Ich
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