Weihnachtszauber 02
Anweisungen erhielt, wie sie empfangen werden sollten. Was mochte sie denken, während sie sich in Geduld übte? Dass man sie irgendwann zu dem blinden Hausherrn bringen würde? Oder dass ein Dienstbote ihn bei der Hand nehmen und zu dieser Konfrontation geleiten könnte?
Denn inzwischen wusste Guy, wie die Begegnung verlaufen würde – wie eine Konfrontation.
Mit einem tiefen Atemzug wappnete er sich für Isabellas Anblick. Als er den Marmorboden überquerte, echoten seine Schritte in der riesigen Eingangshalle.
Wenigstens würden sie seine Angebetete warnen.
Sie stand in der Mitte des Raums, eine behandschuhte Hand auf dem einzigen Möbelstück – einem runden, mit einer kleinen griechischen Statue geschmückten Tisch. Glaubhaft gab sie vor, das Kunstwerk zu bewundern.
Nicht einmal den Umhang hatte der Lakai ihr abgenommen – vielleicht sogar ein Vorteil, wegen der Kälte im Zimmer.
„Mrs Stowe? Sie haben eine lange Reise hinter sich, bei äußerst schlechtem Wetter.“
Als sie sich zu ihm wandte, waren die Folgen der Strapaze unübersehbar. Die zarte Haut unter ihren Augen schimmerte violett. Die Wangen wirkten ein wenig eingefallen.
Mühsam bezwang Guy den Impuls, sie zu umarmen. Zu tun, was ihn beinahe seit dem Tag drängte, an dem er sie wiedergefunden hatte. Isabella zu schützen. Das Recht darauf zu erwerben.
Weil sie schwieg, fuhr er fort: „Noch dazu am Heiligen Abend.“
Prüfend betrachtete sie sein Gesicht. Wonach sie suchte, wusste er, und er lächelte ihr zu. „Gehen wir woandershin, in einen warmen Raum.“
Er reichte ihr seine Hand. Doch sie bewegte sich nicht, ihre Erstarrung wirkte fast beängstigend. Erst ein paar Sekunden später verriet ihm ein leichtes Flattern am Saum ihres Kleides, dass sie zitterte. Kaum wahrnehmbare Vibrationen ihres ganzen Körpers ...
Erschauerte sie vor Kälte? Oder wegen ihres Irrtums?
„Eigentlich dachte ich ...“ Isabella strich mit der Zunge über ihre Lippen. Dem gnadenlosen Winterwind ausgesetzt, waren sie rissig geworden.
Der Wunsch, sie zu berühren, machte ihm die Kehle eng. Ihren Mund mit seinem etwas weicher zu formen ...
„Vor zwei Tagen sagte man mir ...“, begann sie erneut.
„Lassen Sie sich in die Wärme führen“, schlug Guy vor. „Dort können wir reden.“
Darauf gab sie ihm keine Antwort. Noch immer wurde der Grund ihrer Reise nicht offenbart. Nur ihr Blick, der seinen festhielt, stellte die unausgesprochene Frage.
Indem er sich nicht darauf einließ, wagte er ein viel größeres Täuschungsmanöver als jenes, das er ihr bereits zugemutet hatte. Und er betete, sie möge es niemals herausfinden.
„Verzeihen Sie mir“, wisperte sie, die Bitte war nur ein Hauch.
Zunächst vermutete er, sie würde etwas ganz anderes meinen. Aber dann ging sie zu der Tür hinter ihm, und er verstand, wofür sie sich entschuldigte.
„Nein, verlassen Sie mein Haus nicht!“, protestierte er, obwohl es für ihn am günstigsten wäre, wenn er es gestattete.
„Ich hätte nicht zu Ihnen fahren dürfen. Vergeben Sie mir die Störung.“
„Hier sind Sie stets willkommen, Mrs Stowe. Hoffentlich sind wir immer noch Freunde. Und als Ihr Freund muss ich darauf bestehen, dass Sie hierbleiben.
Wenigstens für diese Nacht – oder etwas länger.“
Entschieden schüttelte sie den Kopf. „Es ist unmöglich. Das wissen Sie.“
„Soll ich meine Mutter fragen, ob sie sich um Sie kümmern würde – oder Sie zu ihr bringen? Soeben haben wir alle an der Dinnertafel Platz genommen. Sicher ist Ihnen nicht nur kalt, Sie sind auch hungrig. Nur meiner Familie würden Sie begegnen.“ Guy wollte ihren Ellbogen ergreifen, doch sie wich ihm aus.
„Glauben Sie wirklich, ich würde Ihre Mutter belästigen? So etwas hatte ich niemals vor.“
„Dann möchte ich Sie zu einem Kaminfeuer führen. Erlauben Sie mir das? Warum Sie hier warten mussten, ist mir schleierhaft.“ Um seinen Standpunkt zu unterstreichen, schaute er sich in dem kalten, spärlich eingerichteten Raum um.
„Man geleitete mich hierher, weil man trotz meines Kleides, das ich für sehr elegant hielt, den Eindruck gewann, ich sollte in einem ungemütlichen Vorraum ausharren.
Was meinen Sie, Mylord, was meinen Status verraten hat?“
Allmählich kehrte ihr inneres Gleichgewicht zurück, und sie ähnelte wieder der Isabella, in die er sich verliebt hatte.
„Ah, die unbesiegbare Mrs Stowe“, bemerkte er lächelnd.
„Wohl kaum.“ Trotz der Selbstironie schwang auch echte Belustigung in
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