Weihnachtszauber 02
lieferte ihr einen guten Vorwand für die Tränen, die in ihren Augen glitzerten.
„Du reißt dir noch die Haare aus“, meinte Dominick, setzte sich auf und nahm ihr die Bürste aus der Hand. Sanft fuhr er damit durch ihr Haar, so behutsam, sie spürte die Berührung kaum. Da wunderte es sie nicht, dass er das Pferd so schnell hatte beruhigen können.
Sie schloss die Augen und konnte nicht widerstehen, sich an ihn zu lehnen.
„Du bist sehr geschickt darin“, meinte sie leise und versuchte nicht daran zu denken, dass er womöglich auch anderen Frauen das Haar gebürstet hatte. In diesem Moment zählten sie nicht. Alles, was zählte, war, dass sie mit ihm allein in dieser klapprigen Scheune war, während draußen der Sturm tobte. Dieser Augenblick hatte nichts mit dem wahren Leben zu tun, der Realität, in der Verantwortung und Verpflichtungen auf sie warteten. Bald schon würde diese Realität sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt haben – doch noch war es nicht soweit.
„Meine Mutter hatte lockiges Haar“, antwortete er. „Aber es war blond, nicht so dunkel wie deines. Sie litt oft unter schrecklichen Kopfschmerzen. Als Kind lernte ich, die Schmerzen durch das Bürsten ihres Haares ein wenig zu lindern.“
„Du hattest eine Mutter?“
„Natürlich. Oder dachtest du etwa, ich sei erwachsen der Unterwelt entsprungen?“, sagte er und lachte.
„Ich bin mir nicht sicher, was ich gedacht habe. Du hast nie von ihr erzählt.“
Allerdings hatten sie bei ihren heimlichen Stelldicheins in der Vergangenheit ohnehin kaum miteinander gesprochen, sondern hauptsächlich leidenschaftliche Küsse getauscht. Und später hatte es keine Gelegenheit mehr zu einer Unterhaltung gegeben, daher war sie überrascht und froh über diese kleine vertrauliche Information.
„Sie starb im Kindbett, als ich elf Jahre alt war, und mein Vater schickte mich aufs Internat“, sagte er, während er in gleichmäßigem, sinnlichem Rhythmus weiter ihr Haar bürstete.
„Das tut mir sehr leid“, erwiderte sie leise.
„Das war eines der Dinge, um die ich dich beneidet habe, Mary. Um deine Familie, und wie sehr ihr einander geliebt habt; wie sehr ihr einander immer noch liebt –
selbst deine eigensinnige abtrünnige Schwester.“
„Ich liebe meine Familie tatsächlich sehr, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind. Und das ist recht oft der Fall“, gab Mary zu. „Aber einst habe ich meine Eltern gehasst, weil sie uns getrennt haben.“
Einen kurzen Augenblick hielt er in der Bewegung inne, bevor er wieder mit den Borsten durch ihr Haar strich. „Sie wollten nur dein Bestes. Und das war es.“
Mary krauste die Stirn. Plötzlich erinnerte sie sich an die Dinge, die sie gehofft hatte zu vergessen. Letztendlich hatten nicht ihre Eltern sie getrennt, sondern Dominick höchstpersönlich hatte einen Schlussstrich gezogen. Als sie vorschlug, durchzubrennen, so wie Ginny es nun getan hatte, hatte er sie abgewiesen. Ihr einen Korb gegeben. Gedemütigt und mit gebrochenem Herzen hatte sie danach William geheiratet.
„Vermutlich war es das Beste“, sagte sie. „Mein Auskommen war gesichert und ich hatte einst ...“ Einst hatte sie einen Sohn. Dafür war sie dankbar. „Aber ich habe mich immer gefragt, wie es dir geht und was du tust.“
„Ich habe immer an dich denken müssen.“ Dominick legte die Bürste zur Seite und flocht ihr Haar zu einem lockeren Zopf. Langsam, sanft, legte er den Zopf über ihre Schulter und beugte sich über ihren Nacken. Er atmete tief ein – ihr hingegen verschlug es den Atem. Sie spürte seine Wärme, seine Gegenwart, die in ihre Haut zu dringen und sie ganz zu umhüllen schien.
„Du duftest nach Regen“, flüsterte er. „Und nach Lavendel.“
Mary drehte sich um und umfasste sein Gesicht mit ihren kalten Händen. Mit dem Daumen fuhr sie über seine Wangen und strich ihm über die Schläfe. Sein Haar fiel über ihre Finger, und er blickte sie an, als wolle er sie mit den Augen verschlingen.
Als ob sie ein Schluck Wasser wäre und er seit Jahren verdurstend in der Wüste umherirrte.
„Oh Dominick.“ Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Mehr als diese beiden Worte brachte sie nicht heraus. Nach all der Zeit, nach all den verpassten Gelegenheiten, was gab es da noch zu sagen?
Er schien ähnlich zu fühlen, denn er umfasste ihre Taille und zog sie an seine Brust.
Langsam, ganz langsam beugte er den Kopf zu ihr hinunter, als wolle er ihr die Möglichkeit geben, Einwände zu
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