Weihnachtszauber 02
er tatsächlich jedes Recht dazu hatte. Die Ähnlichkeit mit Lord Perry Grayson, dem früheren Eigentümer von Steadley, ihrem verstorbenem Stiefvater, war unverkennbar.
„Lord Gideon Grayson?“, fragte sie beklommen, während sie bereits in einen eleganten Knicks verfiel, was in Nachthemd und Morgenmantel gar nicht so leicht zu bewerkstelligen war.
„Madam“, bestätigte er ihre Vermutung mit knapper Verbeugung.
Oh du liebe Güte! dachte Amelia. Sie zuckte innerlich zusammen, als ihr vollends bewusst wurde, dass sie die Pistole nicht, wie von ihr angenommen, auf einen Einbrecher abgefeuert hatte, sondern auf den Bruder ihres verstorbenen Stiefvaters.
Kühl ruhte sein Blick auf ihr. „Und ich wüsste es sicherlich, wenn ich Ihr Gatte wäre.“
Ihre Wangen verfärbten sich flammend rot. „Das habe ich doch nur gesagt, weil ich dachte, es würde ... nun, weil ich dachte, ein Gatte würde eine abschreckendere Wirkung auf Sie haben.“
„Zweifellos war diese Abschreckung vonnöten, damit ich mir keine weiteren
‚Freiheiten‘ herausnehme“, sagte er gedehnt.
„Ja!“
„Hm.“ Gray blickte sie mit strenger Miene an. „Nun, da wir die Förmlichkeiten erledigt haben, möchten Sie mir vielleicht erklären, warum in meinen Ställen offenbar keine Stallburschen und in meinem Haus keine Dienstboten anwesend sind?“
Amelia war mehr als froh darüber, dass er das Thema wechselte und ihrer unüberlegten Behauptung, mit ihm verheiratet zu sein, keine weitere Beachtung mehr schenkte. „Nur zwei der Dienstboten sind auf dem Anwesen geblieben, Mylord“, sagte sie in bedauerndem Ton. „Die Köchin Mrs Burdock sagte mir, sie sei bereits seit so vielen Jahren hier und fühle sich zu alt, um eine neue Anstellung anzunehmen. Und Ned, der Gärtner, will sich nicht von seinen preisgekrönten Rosen trennen.“ Ihre Stimme klang liebevoll ob der Sympathie, die sie für den alten Mann verspürte.
Gray musterte die junge Frau missbilligend. Nun, da er sie im Licht betrachten konnte, war er mehr denn je davon überzeugt, dass sie als Gouvernante für sein Mündel nicht geeignet war.
Ihr Haar hatte tatsächlich die Farbe von gesponnenem Gold und fiel ihr in üppigen Wellen über die Schultern und den dünnen weißen Morgenmantel, den sie über dem Nachtgewand trug. Neugierig sah sie ihn aus dunkelblauen Augen an, deren Farbe ihn an das tiefe Blau des Mittelmeeres an einem klaren Sommertag erinnerte.
Ihr Teint war so makellos und weiß wie Alabaster, und ihre Lippen waren so voll und einladend rot wie reife Kirschen.
Ihr Morgenmantel, ein durchscheinendes, überaus unangemessenes Kleidungsstück für eine Gouvernante, war über dem Nachtgewand nicht geschlossen und enthüllte den verführerischen Ansatz ihrer Brüste, die sich wenige Minuten zuvor noch an seine Brust geschmiegt hatten.
Bedingt durch die Umstände, hatte Gray noch nicht das Vergnügen gehabt, sein junges Mündel kennenzulernen. Aber er konnte auf den ersten Blick erkennen, dass diese junge Dame von betörender Schönheit war, weshalb sie als Gesellschafterin für ein junges und zweifellos leicht zu beeindruckendes Mädchen ganz gewiss nicht taugte.
Nachdem er es genossen hatte, ihre üppigen Kurven an seinem Körper zu spüren, war er überzeugt, sie eigne sich weitaus besser als „Gesellschafterin“ eines Gentleman, der auf der Suche nach einer Mätresse war.
Und da Perry nur wenige Monate vor seinem Tod geheiratet und seinen Berichten zufolge eine glückliche Ehe geführt hatte, konnte sich Gray beim besten Willen nicht vorstellen, warum sein Bruder eine solch junge, hinreißende Gouvernante für seine Stieftochter engagiert hatte.
Gray presste die Lippen zusammen und blickte die Frau unter halb gesenkten Lidern an. „Sie haben vergessen, sich selbst in dieser Aufzählung anzuführen.“
Ihre schönen blauen Augen weiteten sich, und sie sah ihn bestürzt an. „Oh. Ja, natürlich lebe auch ich hier.“
Gray nickte knapp. „Natürlich.“
Amelia nagte besorgt an ihrer Unterlippe, während sie darüber nachdachte, wie sie dieser schrecklichen Situation am besten entkommen konnte. Schrecklich insbesondere deswegen, da ihr Vormund nicht gewillt schien, die stolze Arroganz abzulegen, die ebenso perfekt zu ihm passte wie die tadellose modische Kleidung, die er trug.
Und dieser überhebliche, teuflisch gut aussehende Mann hatte sie vor wenigen Minuten in seinen Armen gehalten ...
Amelia befeuchtete die Lippen. „Ich bin mir nicht sicher, ob Ihr
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