Weihnachtszauber 02
er der Erste gewesen war.
„Ich sagte doch bereits, dass ich ... Mylord!“ Sie blickte ihn entrüstet an. „Sie glauben doch nicht etwa ... Wollen Sie damit vielleicht andeuten, ich hätte ...“
„Ich will gar nichts andeuten“, fiel Gray ihr rasch ins Wort, denn er wollte ganz gewiss nicht mehr über den Vorfall am vergangenen Abend sprechen. „Aber gewiss werden Sie einsehen, wie äußerst töricht es von Ihnen war, sich schutzlos in diesem Haus aufzuhalten.“ Die Missbilligung über ihr Verhalten stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
Herausfordernd hob sie das Kinn. „Mir blieb indes keine andere Wahl, da sich mein Vormund keinen Deut um mein Wohlergehen scherte!“
Gray wusste, er hatte den Vorwurf verdient, und er beschämte ihn.
Ebenso beschämt war er nach dem Rundgang gewesen, den er in aller Frühe unternommen hatte, um sich ein Bild über die Situation zu machen. Mit eigenen Augen hatte er gesehen, in welch beklagenswertem Zustand sich Haus, Ställe und Ländereien befanden. Sein Bruder wäre sicherlich entsetzt gewesen, hätte er sehen können, wie heruntergekommen sein früheres Zuhause war und wie sehr Gray seine Verpflichtungen gegenüber Perrys geliebter Stieftochter vernachlässigt hatte.
Er faltete die Hände hinter dem Rücken und straffte die Schultern. „Ich versichere Ihnen, all dies wird sich nun ändern, Amelia.“
Sie sah in zweifelnd an. „Tatsächlich?“
„Ja.“ Gray nickte knapp. „Ich habe bereits mit Ned gesprochen, der mir erzählte, mehrere der früheren Bediensteten hätten noch immer keine neue Anstellung gefunden. Sie leben im Dorf, und Ned meint, sie seien vermutlich mehr als erfreut, wieder in Steadley Manor arbeiten zu können. Auch der frühere Verwalter Mr Davies wird zurückkehren, denn wie es sich herausstellte, hat er überhaupt keine Freude an seinem Ruhestand gefunden“, sagte er nicht ohne Genugtuung.
„Ich ... aber ... Besitzen Sie denn nun genügend Geld, um die Löhne der Dienstboten zu zahlen, Mylord?“
Gray presste die Lippen fest zusammen, ehe er sagte: „Ich habe immer über genügend Geld verfügt, Amelia.“
„Aber ...“
„Wie gut kannten Sie Mr Sanders?“
„Mr Sanders?“, fragte sie verwundert und zog die Stirn kraus. „Nicht besonders gut.
Ich mochte ihn nicht sehr. Er war immer so schnippisch und kurz angebunden, wenn ich versuchte, mit ihm zu reden. Gewiss hätte mein Stiefvater ihn niemals für Mr Davies’ Stelle in Betracht gezogen. Oh ...“ Sie sah Gray schuldbewusst an. „Bitte entschuldigen Sie, Mylord. Ich habe Sie nicht kritisieren wollen.“
„Kritisieren Sie mich ruhig, Amelia. In diesem Falle ist Ihre Kritik ebenso berechtigt wie der Vorwurf, ich hätte mich nicht um Ihr Wohlergehen gekümmert.“ Rastlos schritt er durch den Raum, das Gesicht ernst. „Vielleicht sogar noch ein wenig mehr.“
Um sechs Uhr morgens war Gray aufgestanden. Da er ohnehin die ganze Nacht wach gelegen hatte, sah er keinen Sinn darin, noch länger im Bett zu verweilen. Also war er ins Arbeitszimmer gegangen und hatte nach den Wirtschaftsbüchern gesucht, um diese zu überprüfen. Beim Durchgehen der Aufzeichnungen hatte er festgestellt, dass die Bücher mit denen, die Worthington erhalten hatte, völlig übereinstimmten.
Dennoch waren sie eindeutig gefälscht, weil darin immer noch die Löhne sämtlicher vermeintlich im Haushalt und auf dem Anwesen arbeitenden Angestellten verzeichnet waren, obwohl diese offenbar vor längerer Zeit bereits ihre Stellung gekündigt hatten.
Dies war auch zweifellos der Grund dafür, dass Sanders nach Erhalt der Nachricht, er werde in Bälde eintreffen, so überstürzt abgereist war.
„Der Mann war ein Dieb“, sagte Gray nüchtern. Er hegte fest die Absicht, Sanders aufzuspüren und ihn für sein Verbrechen büßen zu lassen. „Ein Dieb und ein Lügner.“
Seine Miene versteinerte. „Wäre er noch hier, Amelia, wäre ich stark versucht, Ihre Pistole zu laden und Sie damit auf ihn loszulassen.“
Die Anspielung auf ihr wenig damenhaftes Benehmen vom vergangenen Abend trieb Amelia die heiße Schamesröte ins Gesicht. Es war ihr höchst unangenehm, auf diese Weise daran erinnert zu werden, dass er selbst bei ihrem letzten Gebrauch der Waffe unter ihren Schießkünsten gelitten hatte. „Ich habe angenommen ... Ich habe geglaubt, dass ...“
„Dass ich ein verwerflicher Mensch bin, der das gesamte Familienvermögen einschließlich der Löhne der Bediensteten und das zur Erhaltung des
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