Weil deine Augen ihn nicht sehen
reibungslos.
»Haben Sie eine Karte von Maine?«, fragte er den Mann hinter der Theke.
»Da drüben.«
Mit einer gleichgültigen Geste deutete er auf ein Regal, das eine Sammlung von Karten enthielt. Clint nahm die Quittung an sich und ging auf den Schaukasten zu. Er stellte sich so hin, dass der Angestellte seine Hände nicht sehen konnte, suchte eine Karte von Cape Cod heraus und schob sie in die Innentasche seiner Jacke. Zwanzig Minuten später zwängte er sich hinter das Steuer eines preisgünstigen Kompaktwagens. Er schaltete die Innenbeleuchtung ein und studierte die Karte. Die Entfernung entsprach in etwa dem, was er in Erinnerung hatte – ungefähr anderthalb Stunden von
Boston. Um diese Zeit im Jahr sollte eigentlich nicht allzu viel Verkehr sein, überlegte er.
Er ließ den Motor an. Angie hatte ihn darauf hingewiesen, dass er ihr erzählt habe, schon einmal auf Cape Cod gewesen zu sein. Sie vergisst wirklich nichts, dachte er sich. Allerdings hatte er ihr nicht erzählt, dass er wegen eines Jobs mit Lucas dort gewesen war. Lucas sollte irgend so ein hohes Tier für ein Wochenende hinauffahren, in einem Motel übernachten und auf ihn warten. Das hatte ihm die Gelegenheit verschafft, sich ein bisschen in der Gegend umzusehen. Wir sind dann einige Wochen später wiedergekommen und haben ein Haus in Osterville geknackt, erinnerte sich Clint. Ziemlich protzige Gegend, trotzdem haben wir weniger eingesammelt, als Lucas erwartet hatte. Eigentlich ein Witz, was er mir damals als Anteil abgetreten hat. Deshalb hab ich bei diesem Job auch von Anfang an den gleichen Anteil wie er verlangt.
Clint erreichte die Ausfahrt aus dem Flughafengelände. Der Karte nach sollte er links in den Ted-Williams-Tunnel abbiegen und dann auf die Ausschilderung nach Cape Cod achten. Wenn ich es richtig im Kopf habe, führt die Route 3 direkt zur Sagamore-Brücke, dachte er. Danach kommt man automatisch auf den Mid-Cape Highway, den ich bis zur Route 137 fahren muss, die dann direkt zur Route 28 führt.
Er war froh über den klaren Himmel über Boston. Das machte es einfacher, die Schilder rechtzeitig zu entziffern. Die klare Sicht konnte zwar später zu einem Problem werden, aber es war keines, das sich nicht überwinden ließe. Sollte er irgendwo anhalten und Angie anrufen, überlegte er. Bescheid sagen, dass er tatsächlich gegen halb zehn da sein würde?
Wieder fluchte er auf sie, weil sie die Handys mitgenommen hatte.
Kurz nachdem er wieder aus dem Tunnel aufgetaucht war, sah er das Schild nach Cape Cod. Vielleicht ist es sogar ganz
gut, dass ich kein Handy habe, dachte er. Auf ihre verrückte Art ist Angie ein kluges Mädchen. Sie könnte irgendwann auf den Gedanken kommen, dass sie, statt auf mich zu warten, genauso gut das Kind auf eigene Faust loswerden könnte, um dann wieder mit dem Geld abzuhauen.
Bei diesem trüben Gedanken drückte er automatisch stärker auf das Gaspedal.
80
NORMALERWEISE FUHR Geoffrey Sussex Banks an den Wochenenden, sobald er weg konnte, von Bel-Air zu seinem Haus in Palm Springs. An diesem Samstag war er jedoch in Los Angeles geblieben, und so war er am späten Nachmittag gerade von einer Runde Golf zurückgekehrt, als ihm seine Haushälterin mitteilte, dass ein FBI-Agent auf ihn warte. »Er hat mir seine Karte gegeben, Sir. Hier ist sie«, sagte sie. Als er sie entgegennahm, fügte sie noch hinzu: »Es tut mir Leid.«
»Danke, Conchita.«
Er hatte Conchita und Manuel schon vor vielen Jahren eingestellt, als er und Theresa gerade geheiratet hatten. Das Ehepaar hatte Theresa vergöttert, und als sie acht Monate später erfuhren, dass sie Zwillinge erwartete, waren sie vor Freude ganz aus dem Häuschen gewesen. Kurze Zeit später war Theresa spurlos verschwunden, doch sie hatten die Hoffnung nie aufgegeben, dass sich eines Tages ein Schlüssel in der Haustür drehen würde und sie vor ihnen stünde. »Vielleicht hat sie die Zwillinge bekommen und einfach ihre Vergangenheit vergessen, aber vielleicht wird sie sich plötzlich an alles erinnern und wieder nach Hause kommen, und ihre beiden Jungen wird sie auch dabeihaben.« Conchita betete, dass es so geschehen möge. Doch jetzt war jemand vom FBI gekommen, und Conchita wusste, was das bedeutete.
Sie würden nur noch mehr Fragen über Theresas Verschwinden stellen, oder, was noch schlimmer war, sie würden mitteilen, dass man ihre sterblichen Überreste gefunden hatte.
Geoffrey versuchte, sich auf die schlimme Nachricht gefasst zu machen, als
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