Weil du fehlst (German Edition)
Ist schon in Ordnung, ich hatte nichts vor. – Hallo, Lucy.
VIRGINIA: Sie hat schon gegessen, aber ich habe Milch und Kekse rausgestellt, falls sie noch etwas will vor dem Schlafen.
ICH: In Ordnung.
LUCILLA: Daddy?
VIRGINIA: Ja, wo steckt dein Daddy eigentlich? Das ist eine gute Frage, Lucy. – Elija? Elija, wir müssen los! Kassandra ist gekommen! Willst du nicht runterkommen und Hallo sagen?
ICH: … ist schon okay …
VIRGINIA: Ist es nicht! – Elija?
Aber er kam nicht. Gleich darauf hupte es draußen in der Ausfahrt.
VIRGINIA: Was ist denn los mit ihm heute? Tut mir leid, Kassandra, bestimmt hat er gar nicht genau gehört, was ich gerufen habe …
Zwei Mal rief Virginia von der Hochzeitsfeier aus auf meinem Handy an. Und als sie wiederkamen, war es weit nach Mitternacht.
VIRGINIA: Elija hat schreckliche Kopfschmerzen, Kassandra. Er ist durch den Hintereingang gleich nach oben gegangen, um sich hinzulegen. – Wie ist es: Willst du noch nach Hause fahren? Wenn du zu müde bist, könntest du selbstverständlich auch in unserem Gästezimmer übernachten und morgen mit uns frühstücken. Wir würden uns sehr freuen.
Ich schüttelte den Kopf und machte mich auf den Weg in die Sunland Road.
Elija wollte mich nicht sehen, so viel stand fest.
Ich stellte mir vor, wie Mrs Rosen jetzt zu ihm ins Bett schlüpfte. Ob er schon schlief? Oder ob er noch wach war?
Auch in der Schule wich er mir aus. Die ganze Woche über, in der mein Jahrgang für den Collegetest lernte. Ich sah ihn ein paarmal von weitem, mehr nicht.
Du fehlst mir so , schrieb ich ihm in einer SMS, aber ich bekam keine Antwort.
Am Mittwochnachmittag ging ich nach dem SAT-Vorbereitungskurs zusammen mit Selma, Gretchen, Mercedes und Zelda, die sich uns ebenfalls anschloss, zur Theater-AG. Dort hatten Mr Walentas Proben zu Endstation Sehnsucht von Tennessee Williams begonnen.
Die Hauptrolle ist die verrückte Blanche DuBois, die im Laufe der Geschichte den Verstand verliert und zum Schluss in eine psychiatrische Heilanstalt eingeliefert wird. Ich musste, obwohl ich es nicht wollte, an meinen Vater in Sterling Heights denken. Eine Gänsehaut überlief mich.
Ich schaute zu Flavia Cool hinüber, die die Blanche spielen würde. Flavia hatte auch beim Poetry Slam mitgemacht. Sie hatte schwarzlila gefärbte Haare, die sie ähnlich hochsteckte wie Virginia Rosen es tat, nur dass Flavia sich an beiden Schläfen und an der Stirn jeweils eine lila Strähne herausgezogen hatte. Sie sah sehr gut aus, soviel stand fest.
Mercedes würde Stella sein, Blanche DuBois‘ Schwester, die ihrem Ehemann Stanley Kowalski, einem Arbeitersohn polnischer Einwanderer, sexuell verfallen ist.
»Hi, Kassandra«, begrüßte mich Milt, der Stanley Kowalski spielen würde, und schaute gleich wieder zurück in seine Textunterlagen.
»Eine durch und durch abgefahrene Story«, sagte Flavia, die das Textbuch bereits gelesen hatte. »Ich liebe so Psychokram! Blanche war früher Lehrerin, aber nach einer Affäre mit einem Schüler wird sie entlassen. Und nach und nach dreht sie durch. Sie zieht zu ihrer Schwester und ist angewidert von Stanley, deren Ehemann. Sie findet ihn einfach ekelhaft und gewöhnlich. Stanley zahlt es ihr heim, indem er das mit der Schüleraffäre herausfindet. Er zerstört ihre neue Beziehung, die gerade erst entsteht, und später vergewaltigt er sie, und keiner glaubt ihr ein Wort. Zum Schluss dreht sie einfach komplett durch.«
»Mr Shoemaker wird ebenfalls komplett durchdrehen, wenn er das Stück sieht«, sagte Selma. Die anderen lachten. Jeder wusste, wie prüde und puritanisch unser Schulleiter war. Nur ich lachte nicht. Ich dachte an das, was Flavia gesagt hatte. Blanche DuBois war entlassen worden, nachdem herausgekommen war, dass sie eine Affäre mit einem Schüler gehabt hatte.
Im Internet standen ähnliche Geschichten.
Oh, Elija.
Aber bei uns war es anders. Was uns verband, war keine – Affäre. Und außerdem wusste keiner davon. Und im Grunde war ja, wie es aussah, alles schon wieder vorbei.
»Was hast du?«
Selma warf mir einen Blick zu.
»Nichts.«
Sie und ich würden kleine Nebenrollen haben. Zwei Barfrauen, keine Sprechrollen.
»Aber beim nächsten Stück«, sagte Mr Walenta und lächelte uns zu.
»Achtung, sein Sexblick«, flüsterte Mercedes uns zu.
Gretchen sollte Stellas Freundin Eunice aus dem Obergeschoss darstellen.
Und Zelda? Sie würde soufflieren.
Valentinstag : Tag der Liebenden. Das Brauchtum dieses
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