Weil Ich Euch Liebte
sei im Erwachsenenkurs mit Abstand die Beste gewesen.
»Sie hatte eine echte Motivation, diesen Kurs zu machen«, erzählte er mir bei einem Bier in einer Kneipe nicht weit von der Schule. »Sie hat gesagt: ›Ich mache das für meine Familie, für meinen Mann und meine Tochter, um unsere Firma voranzubringen.‹«
»Wann hat sie das zu Ihnen gesagt?«
Er dachte einen Moment nach. »Vor einem Monat?« Er klopfte mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte. »Genau hier. Bei ein paar Bier.«
»Sheila hat hier ein paar Bier mit Ihnen getrunken?«, fragte ich.
»Also, ich hatte ein paar, drei vielleicht«, sagte Allan und wurde rot. »Aber Sheila? Ich glaube, sie hatte auch eins. Aber nur ein einziges Glas.«
»Haben Sie und Sheila das öfter gemacht?«
»Nein, nur dieses eine Mal«, sagte er. »Sie wollte rechtzeitig zu Hause sein, um ihrer Tochter einen Gutenachtkuss zu geben.«
Die Polizei ging davon aus, dass sie ihren Kurs geschwänzt und sich dafür irgendwo die Kante gegeben hatte. Wo das gewesen sein könnte, fanden sie nicht heraus. Nachfragen in sämtlichen Bars der Umgebung ergaben nichts. Niemand hatte sie gesehen, und auch in keinem der Spirituosenläden konnte sich jemand erinnern, ihr an diesem Abend Alkohol verkauft zu haben. Was natürlich alles nichts heißen musste.
Sie konnte stundenlang im Wagen gesessen und Zeug getrunken haben, das sie sich irgendwann und irgendwoanders besorgt hatte.
Ich hatte mehrmals bei der Polizei nachgefragt, ob vielleicht ein Versehen vorliegen könnte, und man hatte mir erklärt, die toxikologischen Berichte lögen nicht. Sie zeigten mir Kopien. Sheila hatte einen Blutalkoholspiegel von 2,2 Promille. Bei Sheilas Gewicht – knapp über sechzig Kilo – entsprach das etwa acht Gläsern Alkohol.
»Ich werfe dir nicht nur vor, dass du die Zeichen nicht erkannt hast«, hatte Fiona bei der Beerdigung gesagt. »Ich gebe dir die Schuld, dass sie überhaupt zu trinken begonnen hat. Ohne Zweifel hast du sie mit deiner Volkstümlichkeit im Sturm erobert, aber all die Jahre hindurch musste sie immer wieder daran denken, was für ein Leben sie hätte haben können. Ein besseres, erfüllteres Leben, als du es ihr je hättest bieten können. Und das hat sie kaputtgemacht.«
»Und das hat sie dir gesagt«, sagte ich.
»Das musste sie mir nicht sagen. Das wusste ich auch so.«
»Fiona, also wirklich«, sagte Marcus. »Jetzt mach mal halblang.« In diesem Moment war mir der Typ beinahe sympathisch.
»Jemand muss ihm das sagen, Marcus. Und später habe ich vielleicht nicht mehr die Kraft dazu.«
»Das bezweifle ich«, sagte ich.
»Hättest du ihr das Leben bieten können, das sie verdiente, hätte sie ihren Kummer nicht in Alkohol ertränken müssen.«
»Ich bringe Kelly nach Hause«, sagte ich. »Wiedersehen, Fiona.«
Aber, wie gesagt, sie liebte ihre Enkelin.
Und Kelly liebte sie. Und, bis zu einem gewissen Grad, auch Marcus. Wenn Kelly bei ihnen war, lagen die beiden ihr zu Füßen. Um Kellys willen bemühte ich mich, meine Aversion gegen Fiona nicht die Oberhand gewinnen zu lassen. Vor Sheilas Tod hatte Kelly ungefähr alle sechs Wochen das Wochenende bei ihnen verbracht.
Mir schwirrte noch immer der Kopf von der Nachricht, dass Ann Slocum – anscheinend – tot war, da hörte ich einen Wagen in der Einfahrt. Ich zog den Vorhang zur Seite und sah Marcus am Steuer seines Cadillac sitzen, Fiona neben ihm.
»Scheiße«, sagte ich. Wenn sie mir gesagt hatten, dass dies eines ihrer Wochenenden war, dann musste ich es vergessen haben. Ich war perplex. Weder Kelly noch ich hatten Fiona oder Marcus seit der Beerdigung gesehen. Ich hatte ein paar Mal am Telefon mit Fiona gesprochen, doch nur so lange, bis Kelly an der Nebenstelle abhob.
Ich stürmte die Treppe hoch, steckte den Kopf in Kellys Zimmer. Sie schlief.
»Hey, du«, sagte ich.
Sie wälzte sich herum, öffnete zuerst ein Auge, dann das andere. »Was ist denn?«
»Großmutter-Alarm. Fiona und Marcus sind da.«
Jetzt saß sie kerzengerade im Bett. »Echt?«
»Wusstest du, dass sie heute kommen?«
»Ähhh …«
»Ich nämlich nicht. Jetzt aber dalli.«
»Ich hab’s komplett vergessen.«
»Hast du’s denn gewusst?«
»Na ja, vielleicht schon.«
Ich sah sie an. »Also?«
»Kann sein, dass Grandma und ich darüber geskypt haben«, sagte sie. »Vielleicht hab ich da gesagt, dass sie mich ruhig besuchen kommen können, aber ich hab keinen bestimmten Tag ausgemacht. Glaub ich wenigstens.«
»Wie ich schon
Weitere Kostenlose Bücher