Weil Ich Euch Liebte
Müll abholten. Für sie gehörte ich in eine Kategorie mit den Leuten, die ihr die Dachrinnen ausräumten und den Rasen mähten – als sie noch das Haus in Connecticut hatte –, ihren Caddy warteten und das Klo reparierten, wenn die Spülung mal wieder nicht zu rinnen aufhören wollte, obwohl man schon ewig am Hebel rumprobiert hatte. Anscheinend zählte für sie überhaupt nicht, dass ich meine eigene Firma hatte – gut: von meinem Vater übernommen – oder dass ich mehrere Leute beschäftigte und als Bauunternehmer einen guten Ruf in Milford und Umgebung hatte. Dass ich erfolgreich war und mir, meiner Frau und meiner Tochter nicht nur ein Dach über dem Kopf bieten konnte, sondern das verdammte Ding auch noch selbst gebaut hatte. Der Einzige, der Fiona vielleicht mit seiner Hände Arbeit beeindrucken konnte, war der augenblickliche Liebling des Galeriepublikums, eine Art Jackson Pollock des 21. Jahrhunderts, dessen farbverschmierte Hosen Zeugnis für sein Genie und seine Exzentrizität waren und nicht bloß für sein Bemühen, sich den Lebensunterhalt zu verdienen.
Kunden wie Fiona hatte ich immer wieder gehabt. Sie gaben einem nicht die Hand, aus Angst, man könne ihre weichen Händchen mit seinen Schwielen zerkratzen.
Nachdem ich Fiona kennengelernt hatte, wollte es mir einfach nicht in den Kopf, dass Sheila ihre Tochter sein sollte. Es gab zwar eine gewisse äußere Ähnlichkeit, aber in jeder anderen Hinsicht waren sie wie Tag und Nacht. Fiona war es wichtig, den Status quo zu erhalten. In der Praxis hieß das, die Steuererleichterungen für die Reichen zu bewahren, darum zu beten, dass gleichgeschlechtliche Ehen nie legalisiert und Bagatelldiebstähle mit zweimal lebenslänglich bestraft wurden.
Fionas Entsetzen darüber, dass ihre Tochter mich heiratete, ließ sich nur mit einem messen: ihrem Entsetzen darüber, dass Sheila gelegentlich ehrenamtlich in einer Rechtsberatungsstelle tätig war und sich im Präsidentschaftswahlkampf des demokratischen Senators Chris Dodd engagierte.
»Tust du das, weil es dir wirklich am Herzen liegt oder weil du weißt, dass es deine Mutter zur Weißglut bringt?«, habe ich sie einmal gefragt.
»Weil es mir am Herzen liegt«, lautete ihre Antwort. »Dass es Mutter zur Weißglut bringt, ist nur ein Extra.«
Im ersten Jahr unserer Ehe sagte Sheila zu mir: »Sie ist ein Tyrann. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, dass ich nur eine Chance gegen sie habe: ihr die Stirn zu bieten. Was sie mir alles an den Kopf geworfen hat, als ich ihr sagte, dass ich dich heiraten werde! Aber am kränkendsten war nicht, was sie über dich gesagt hat, sondern über mich. Über die Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen habe. Also ich bin stolz auf diese Entscheidungen. Und auch auf deine.«
Ich hatte mich entschieden, Dinge zu bauen. Veranden, Garagen, Anbauten, ganze Häuser. Nach dem Diplom bewarb ich mich um eine Stelle in der Firma meines Vaters, wo ich, seit ich sechzehn war, jeden Sommer gearbeitet hatte.
»Und wie sieht’s mit Referenzen aus?«, fragte er mich, als ich 1992 zu ihm ins Büro kam. Da war ich zweiundzwanzig.
Ich liebte meine Arbeit und hatte Mitleid mit den Freunden, die ihre Tage in den Zellen von Großraumbüros absaßen und nach acht Stunden heimgingen, ohne irgendetwas zum Vorzeigen zu haben. Ich errichtete Gebäude. Die konnte man vorzeigen, wenn man an ihnen vorbeifuhr. Und ich baute sie gemeinsam mit meinem Vater, es verging kein Tag, an dem ich nicht etwas von ihm lernte. Einige Jahre später lernte ich bei diesem Fenstereinbau Sheila kennen, und kurz darauf zogen wir zusammen. Meinen Eltern gefiel das genauso wenig wie Fiona. Aber zwei Jahre später war Schluss mit unserem Leben in Sünde, wie meine Mutter es zu nennen beliebte, unter anderem auch deshalb, weil meine Mutter Krebs und nicht mehr lange zu leben hatte. Zu wissen, dass wir rechtsgültig verheiratet waren, schenkte ihr einen gewissen Seelenfrieden.
Vier Jahre später war ein Kind auf dem Weg.
Dad lebte lange genug, um Kelly auf dem Arm zu halten. Als er nicht mehr war, wurde ich Firmenchef. Ich fühlte mich verwaist und überfordert. Die Fußstapfen waren zu groß für mich, aber ich gab mein Bestes. Ohne ihn war es nicht mehr dasselbe, aber ich liebte meine Arbeit noch immer. Ich hatte einen Grund, morgens aufzustehen. Ich hatte eine Aufgabe. Ich hatte nicht das Gefühl, ich müsse mich für meine Taten vor Sheilas Mutter rechtfertigen.
Sheila und ich, wir waren beide
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