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Weil ich Layken liebe

Weil ich Layken liebe

Titel: Weil ich Layken liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen Hoover
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unbegreiflicher – wie kann ich ihm so viel von mir erzählt und dabei mit keinem Wort erwähnt haben, dass ich noch zur Schule gehe? Plötzlich packt mich eine unglaubliche Wut auf die ganze vertrackte Situation. Vielleicht ist genau das jetzt die Strafe dafür, dass ich an dem Abend im Club meinen Schutzschild runtergefahren und den Kopf komplett ausgeschaltet habe. Normalerweise würde ich mich doch niemals so schnell auf einen Typen einlassen, den ich gar nicht kenne.
    Ich wische mir mit dem Ärmel über das Gesicht und atmetief durch. In den letzten Monaten bin ich sozusagen Profi im Tränenwegwischen und Tiefdurchatmen geworden. Dabei hatte ich bis vor einem halben Jahr kaum je Grund, traurig zu sein. Mein Leben in Texas war sorglos und unkompliziert. Ich hatte einen großen Freundeskreis, bin gern in die Schule gegangen und mit meinen Eltern total gut klargekommen. In den Wochen nach dem plötzlichen Tod meines Vaters habe ich so viel wie noch nie zuvor geweint, bis mir irgendwann klar wurde, dass Kel und meine Mutter niemals darüber hinwegkommen würden, wenn ich nicht auch meinen Teil dazu beitrage. Von da an kümmerte ich mich intensiv um Kel. Dad war nicht nur sein Vater, sondern auch sein bester Freund gewesen, womöglich war der Verlust für ihn sogar noch einschneidender als für Mom und mich. Ich fing an, all die Dinge mit ihm zu unternehmen, die Dad mit ihm gemacht hatte, begleitete ihn zu seinen Baseballspielen, zum Karateunterricht und sogar zu den Pfadfindern. So waren wir ständig beschäftigt und die Traurigkeit schmerzte nach und nach immer weniger.
    Jetzt ist sie mit voller Wucht wieder da.
    Ein Klopfen an der Scheibe reißt mich aus meinen Gedanken und ich fahre erschrocken zusammen. Ich will nicht in die Realität zurück, will niemanden sehen, geschweige denn mit irgendjemandem sprechen. Als ich den Kopf drehe, ist durch die Scheibe des Beifahrerfensters nur sein Hemd zu sehen … aber ich weiß trotzdem, dass er es ist.
    Ich klappe die Sonnenblende herunter und wische mir die verschmierte Wimperntusche unter den Augen weg. Dann beuge ich mich zur Beifahrertür und öffne sie, den Blick starrnach vorne auf den zerbrochenen Gartenzwerg mit seinem selbstzufriedenen Grinsen geheftet.
    Will steigt ein und schließt die Tür. Er schiebt den Sitz ein Stück zurück, sagt aber nichts. Im Moment weiß wahrscheinlich keiner von uns beiden, was er sagen soll. Ich sehe vorsichtig zu ihm rüber. Er hat einen Fuß gegen die Konsole gestemmt, die Arme vor der Brust verschränkt und starrt auf seine Post-it-Notiz von heute Morgen, die jetzt auf der Ablage klebt. Wenigstens ist er pünktlich. Es ist tatsächlich kurz nach vier.
    »Was denkst du?«, fragt er.
    Ich ziehe mein rechtes Bein auf den Sitz und schlinge die Arme um das Knie. »Ich bin total verwirrt, Will. Ich weiß nicht, was ich denken soll.«
    »Es tut mir leid. Das ist alles meine Schuld«, sagt er, ohne mich anzusehen.
    Ich schüttle den Kopf. »Schuld hat man nur, wenn man eine Entscheidung bewusst getroffen hat. Du hast es ja nicht wissen können, Will.«
    Er setzt sich mit einem Ruck auf und sieht mich an. Das belustigte Funkeln in seinen Augen, das mich so verzaubert hat, ist erloschen. »Doch, Lake. Genau darum geht es. Ich hätte es wissen müssen. Als Lehrer muss man in allen Lebensbereichen moralisch handeln, nicht nur im Klassenzimmer. Es war total fahrlässig von mir, dich nicht gefragt zu haben, ob du noch auf die Highschool gehst. Als du gesagt hast, dass du achtzehn bist, habe ich automatisch angenommen, du würdest schon studieren.« In seiner Stimme liegt kein Vorwurf, er sucht den Fehler eindeutig bei sich.
    »Ich bin erst seit zwei Wochen achtzehn«, sage ich, was sich irgendwie wie eine Rechtfertigung anhört, so als würde ich ihm doch die Schuld an der verfahrenen Situation geben. Dabei möchte ich gar nicht, dass er sich noch schlechter fühlt. Keiner von uns beiden kann etwas dafür.
    »Und ich bin kein richtiger Lehrer«, sagt er. »Eigentlich bin ich noch im Referendariat.«
    »Eigentlich?«
    »Nach dem Unfall meiner Eltern habe ich doppelt so viele Kurse belegt wie vorgeschrieben, um das Studium möglichst schnell durchzuziehen. Zu meinem Glück herrscht hier im Schulbezirk zurzeit ein ziemlicher Lehrermangel. Deshalb hat mir die Schule eine befristete Stelle für ein Jahr angeboten, die ich jetzt schon antreten konnte. Im Moment bin ich noch im Referendariat, aber in drei Monaten mache ich meinen Abschluss und die

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