Weil ich Layken liebe
Fernseher anzuschalten.
»Weiß ich noch nicht. Vielleicht essen wir auch hier. Es geht mir nur darum, dass ich mal wieder einen ungestörten Abend mit euch verbringen will. Nur wir drei.«
Ich nehme meine Stiefel und stehe auf. »Nur wir drei «, murmle ich und gehe in mein Zimmer. Nachdem ich die Stiefel in den Schrank gestellt habe, lege ich mich auf mein Bett und starre an die Decke. Früher hat es immer »wir vier« geheißen, daraus wurde »wir drei« und jetzt – nur sieben Monate nach Dads Tod – will sie »wieder vier« aus uns machen?
Aber das lasse ich nicht zu, das kann sie vergessen. Ganz egal, wer dieser Typ ist, für mich wird er niemals dazugehören. Im Gegenteil. Ich merke, wie ich eine plötzliche Distanz zu Mom spüre. »Wir vier« wird es nie wieder geben. Dann eher noch »wir zwei«, nämlich Kel und mich, und »die zwei«, nämlich Mom und diesen Typen.
Während ich so daliege und nachdenke, fällt mir plötzlich auf, dass wir jetzt schon seit über einem Monat in Ypsilanti wohnen und ich bisher jeden Freitagabend allein zu Hause verbracht habe. Noch so ein einsames Wochenende überlebeich nicht. Kurz entschlossen schicke ich Eddie eine SMS. Sie hat mir vorhin erzählt, dass sie mit Gavin ins Kino will. Vielleicht sind die beiden bereit, eine gute Tat zu tun und mich mitzuschleppen. Nur ein paar Sekunden später vibriert mein Handy: Wir holen dich in einer halben Stunde ab. Schaffst du das?
Mir bleibt nicht mehr genug Zeit, um zu duschen, aber um mich schnell nachzuschminken, reicht es. Im Bad liegen ein paar Briefe auf dem Waschtisch. Wahrscheinlich hat Mom sie gelesen, als sie vorhin gebadet hat. Auf den Umschlägen steht noch unsere texanische Straße und Hausnummer, darüber haftet ein Aufkleber der Post mit dem Vermerk »Nachsendeantrag« und unserer neuen Adresse.
Texas. Der Gedanke an meine alte Heimat versetzt mir einen schmerzhaften Stich. In acht Monaten mache ich meinen Schulabschluss, dann könnte ich wieder dorthin zurückziehen. Michigan hat mir bis jetzt in jeder Beziehung nur Pech gebracht. Ich nehme mir vor, mir einen Kalender für mein Zimmer zu besorgen, in dem ich die Tage abstreiche, bis ich wieder von hier verschwinden kann. Als ich die Umschläge zur Seite legen will, flattert ein Zettel zu Boden. Es ist ein Kontoauszug. In der rechten unteren Ecke steht als Guthaben eine ziemlich große Summe: $ 178 343,00 .
Ich hebe ihn auf, nehme ihn zusammen mit den Briefen in mein Zimmer und setze mich aufs Bett, um sie mir genauer anzusehen. Eines der Schreiben kommt von einer Versicherung. Es ist die Jahresabrechnung für unser altes Haus, das Mom angeblich verkauft hat. Oh mein Gott, ich könnte sie umbringen! Wir sind gar nicht pleite! Sie hat unser Hausnicht verkauft. Sie hat mich und meinen Bruder angelogen und aus unserer gewohnten Umgebung gerissen, nur um mit diesem Mann zusammen zu sein! Wilder Hass lodert in mir auf. Ich muss sofort hier weg, bevor ich womöglich etwas tue, was ich hinterher bereue. Tränenblind greife ich nach meinem Handy und stopfe die Briefe in meine Tasche.
»Ich bin verabredet«, rufe ich meiner Mutter zu, die immer noch im Wohnzimmer fernsieht.
»Mit wem?«, fragt sie.
»Mit Eddie. Wir gehen ins Kino«, antworte ich knapp und hoffe, dass sie mir nicht anhört, wie aufgewühlt ich bin. Bevor ich mit ihr über alles reden kann, muss ich erst einmal nachdenken und begreifen, was überhaupt los ist. Ich zittere am ganzen Körper und habe nur einen Wunsch: Raus hier, und zwar so schnell wie möglich.
Mom kommt aus dem Wohnzimmer, greift nach meinem Handy und wirft einen Blick aufs Display.
»Hey, was soll das?«, protestiere ich und reiße es ihr aus der Hand.
»Ich weiß genau, was du vorhast, Lake! Mach mir nichts vor.«
»Ach ja, was habe ich denn vor? Das würde ich wirklich zu gerne wissen.«
»Gestern Abend warst du auch schon mit Eddie unterwegs und Will war nicht zu Hause. Praktischerweise hatte er einen Babysitter organisiert, der auf beide Jungs aufgepasst hat. Heute sagt mir sein kleiner Bruder, dass er bei uns schlafen will, und eine halbe Stunde später gehst du aus dem Haus. Für wie blöd hältst du mich? Du gehst nirgendwohin!«
Ich werfe mein Handy in die Tasche und hänge sie mir um, während ich zur Tür gehe.
»Oh doch, ich gehe ins Kino. Und zwar mit Eddie . Du kannst dich gern auf die Straße stellen und zuschauen, wie sie mich abholt, wenn du mir nicht glaubst. Von mir aus kannst du draußen Wache halten, dann
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