Weil ich Layken liebe
zurückkommt. Sie beugt sich zu meiner Mutter herab und umarmt sie spontan. Mom sieht mich über ihre Schulter hinweg mit großen Augen an und bleibt ganz still sitzen. Nach einer Weile richtet Eddie sich wieder auf, lächelt uns aufmunternd zu und geht zur Tür. Und dann ist sie weg.
Ich starre perplex auf die Haustür, durch die Eddie gerade verschwunden ist, und frage mich, ob sie jetzt komplett verrückt geworden ist. Oder ist sie womöglich die einzig Normale von uns? Schwer zu sagen. Als ich mich zu meiner Mutter umdrehe, müssen wir beide lachen.
»Eins muss man dir lassen, Lake. Du schaffst es wirklich, die irrsten Typen aufzugabeln.«
»Ich weiß. Eddie ist toll, oder?«
Mom legt ihre Hand auf meine. »Lass es uns genau so machen, wie deine Freundin gesagt hat. Du stellst mir deine Fragen und ich werde versuchen, sie so gut wie möglich zu beantworten.«
Ich rede nicht lange um den heißen Brei herum. »Musst du sterben?«
»Müssen wir das nicht alle?«
»Gegenfragen gelten nicht. Ich will eine richtige Antwort.«
Sie seufzt. »Vermutlich. Höchstwahrscheinlich. Ja.«
»Wie viel Zeit bleibt dir noch? Wie schlimm steht es?«
»Vielleicht sollte ich dir erst einmal sagen, was ich über meine Krankheit weiß, Lake. Dann kannst du dir eine bessere Vorstellung von dem machen, womit wir es zu tun haben. Komm mal mit.« Sie geht in die Küche hinüber, setzt sich an die Theke und greift nach einem Block und einem Stift. »Es gibt zwei Hauptarten von Lungenkrebs«, erklärt sie und skizziert etwas auf dem Zettel. »Nichtkleinzellige und kleinzellige Bronchialkarzinome. Leider habe ich die kleinzellige Variante, was bedeutet, dass der Krebs schnell wächst und frühzeitig auf andere Organe übergreift.«
Sie sieht mich an. »Verstanden?« Als ich nicke, fährt sie fort.
»Das kleinzellige Bronchialkarzinom kann entweder lokal begrenzt oder bereits ausgedehnt sein.« Sie deutet auf die Lunge, die sie gezeichnet hat. »Als der Krebs bei mir diagnostiziert wurde, war er auf diesen Bereich hier beschränkt.« Sie malt einen Kreis und tippt mit der Spitze des Stifts darauf. »Die ersten Symptome traten ein paar Monate vor dem Tod eures Vaters auf. Er hat mich gedrängt, zum Arzt zu gehenund eine Biopsie machen zu lassen, bei der Gewebe entnommen und untersucht wurde. Leider wurde dabei festgestellt, dass es sich um bösartig veränderte Krebszellen handelt. Wir haben nach Ärzten recherchiert und einen gefunden, der in Detroit praktiziert und auf meine Art von Lungenkrebs spezialisiert ist. Mir kam es ein bisschen wie eine Fügung des Schicksals vor, weil ich schließlich hier aufgewachsen bin und Brenda immer noch hier lebt. Dein Vater und ich haben lange über alles gesprochen und schließlich beschlossen, nach Ypsilanti zu ziehen, aber dann ist er …«
»Mom. Mom!« Ich hebe die Hand. »Bitte nicht so schnell. Ich komme gar nicht mit.«
Sie legt den Stift hin.
»Ich glaube, ich brauche einen Moment, um das alles zu begreifen«, bitte ich sie. »Oh Mann, ich fühle mich wie im Biounterricht … und dabei geht es um dich.« Ich stütze den Kopf in die Hände und spüre, wie mir schlecht wird. Meine Mutter hatte Monate, um über alles nachzudenken und sich damit vertraut zu machen. Ich kann es kaum ertragen, dass sie mit mir so nüchtern darüber spricht, als würde sie einen Vortrag über Botanik halten.
»Bin gleich wieder da«, murmle ich und laufe ins Bad, wo ich mir kaltes Wasser ins Gesicht spritze und mich zum ersten Mal seit gestern Abend im Spiegel betrachte. Ich bin blass, meine Wimperntusche ist verschmiert, die Augen geschwollen und die Haare ungekämmt. Nachdem ich mir das Gesicht gewaschen und die Haare gebürstet habe, kehre ich in die Küche zurück und höre meiner Mutter weiter zu, wie sie mir sagt, dass sie sterben wird.
»Kurz nachdem wir den Umzug nach Michigan beschlossen hatten«, fährt sie fort, »ist dein Vater gestorben. In den ersten Wochen stand ich unter Schock und war danach so beschäftigt mit den ganzen Dingen, die ich regeln musste, dass ich die Krankheit einfach verdrängt habe. Ich bin drei Monate lang nicht mehr zum Arzt gegangen.« Ihre Stimme ist jetzt so leise, dass ich Mühe habe, sie zu verstehen. »Als ich das nächste Mal dort war, wurde festgestellt, dass der Krebs sich mittlerweile ausgebreitet hatte.«
Sie wendet den Kopf ab und wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Ich gebe mir die Schuld am Tod eures Vaters. Manchmal denke ich, er hat sich
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