Weil ich Layken liebe
schlage die Tür hinter mir zu. Einen Moment lang bleibe ich stehen und weiß nicht, wohin, dann laufe ich in sein Zimmer, werfe mich aufs Bett und breche zusammen. Ich weine nicht nur, ich brülle den Schmerz aus mir heraus.
Ich habe noch nie irgendwelche Drogen genommen, rauche nicht und trinke auch keinen Alkohol. Allerdings liegt das nicht daran, dass ich so wahnsinnig vernünftig bin, sondern hat eher damit etwas zu tun, dass mir bis jetzt noch nie jemand etwas angeboten hat. Ich habe in Texas ein ziemlich behütetes Leben geführt und bin nie auf eine dieser Partys eingeladen gewesen, wo gekifft oder getrunken wurde. So unglaublich es klingt – ich bin einfach nie in eine Situation gekommen, in der ich entscheiden musste, mich entweder dem Gruppenzwang zu beugen oder als Spielverderberin dazustehen. Meine Wochenenden verliefen immer nach dem gleichen Schema: Freitagabends habe ich im Stadion unserem Footballteam zugejubelt, samstags sind meine Eltern mit Kel und mir meistens ins Kino und danach noch etwas essen gegangen und sonntags habe ich meine Hausaufgaben gemacht.
Okay, eine Ausnahme gab es. Damals war ich sechzehn undmeine Freundin Kerris hatte mich auf die Hochzeit ihrer Cousine mitgenommen. Nach der Feier sind wir noch geblieben, um beim Aufräumen zu helfen. Während wir die Gläser und das Geschirr abräumten und den Boden fegten, futterten wir die Reste des Kuchenbüffets, tranken die übrig gebliebene Bowle und hatten einen Mordsspaß dabei. Natürlich war uns klar, dass in der Bowle jede Menge Sekt und wahrscheinlich auch noch etwas Härteres war, aber als wir den Alkohol erst mal spürten, war es für Vernunft auch schon zu spät.
Kerris hatte gerade ihren Führerschein gemacht und wir dachten keine Sekunde lang darüber nach, dass es vielleicht nicht besonders klug war, mit dem Auto nach Hause zu fahren. Nach etwa zwei Kilometern verriss Kerris das Lenkrad, kam von der Fahrbahn ab und knallte frontal gegen einen Baum. Ich hatte eine Platzwunde über dem Auge und sie brach sich zwei Rippen, etwas Schlimmeres ist zum Glück nicht passiert. Selbst der Wagen war noch fahrtüchtig. Aber statt das Vernünftigste zu tun, nämlich jemanden zu benachrichtigen und auf Hilfe zu warten, fuhr Kerris zu dem Hotel zurück, in dem die Hochzeit stattgefunden hatte, und ich rief meinen Vater an. Natürlich haben wir einen Riesenärger bekommen, aber das war es nicht, was mir am eindrücklichsten in Erinnerung blieb.
Sondern der Moment, kurz bevor wir gegen den Baum prallten. Wir hatten uns gerade vor Lachen ausgeschüttet, weil Kerris irgendein Wort merkwürdig ausgesprochen und ich sie nachgeäfft hatte, als der Wagen von der Straße abkam.
Wie erstarrt blickte ich dem Baum entgegen und wusstegenau, dass wir im nächsten Moment dagegenknallen würden, aber alles passierte wie in Zeitlupe. Der Baum hätte auch fünfzigtausend Kilometer weit weg stehen können, so lange dauerte es in meiner Wahrnehmung, bis schließlich der ohrenbetäubende Aufprall kam und wir nach vorn geschleudert wurden. Und das Einzige, woran ich in diesem endlosen Moment dachte, war Kel. An nichts anderes. Ich verschwendete keinen Gedanken an die Schule, die ich nie beenden würde, wenn ich jetzt starb, ich dachte nicht an meine Eltern, die ich nie mehr wiedersehen würde, und auch nicht an den Jungen, in den ich verliebt war. Ich dachte nur an Kel und daran, dass ich ihn nicht aufwachsen sehen würde. Das war das Einzige, was für mich in den Sekunden zählte, von denen ich glaubte, es wären meine letzten.
Irgendwann muss ich wohl weggedämmert sein, denn als ich die Augen aufmache, sind meine Tränen getrocknet.
Ich liege da und erwarte, dass sie sofort wieder zu fließen beginnen, sobald sich der Nebel in meinem Kopf gelichtet hat, aber zu meiner Überraschung fühle ich mich hellwach und unerklärlicherweise geradezu euphorisch. Von Energie und Tatendrang erfüllt, springe ich aus dem Bett und mache mich daran, mir eine Aufgabe zu suchen. Aber zuerst brauche ich Musik. Als ich zur Anlage im Wohnzimmer gehe, liegt sogar schon eine CD von den Avett Brothers im Player. Perfekt. Ich wähle meinen Lieblingssong an, drehe die Lautstärke hoch und beschließe dann, das Haus auf Vordermann zu bringen.
Leider ist es im Wohnzimmer erstaunlich sauber und aufgeräumtdafür, dass hier zwei Vertreter der männlichen Spezies leben, und ich muss mir ein anderes Betätigungsfeld suchen. Zum Glück gibt es im Bad einigen Handlungsbedarf. Ich
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