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Weil sie sich liebten (German Edition)

Weil sie sich liebten (German Edition)

Titel: Weil sie sich liebten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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auf seinen Schultern. Genau das hätte er
Owen gesagt, der es nicht bestritten hätte. Ich bin für den
Tod Ihres Sohnes verantwortlich.
    Er schloss die Augen.
    Er dachte an das Band, dieses Band, aus dem inzwischen hundertmal
Digitalfilme und Fotos gezogen worden waren. Er stellte sich vor, die Pixels
geisterten noch irgendwo da draußen herum, trieben durch den Äther, ein Haufen
winzige Teilchen, die sich zusammengetan hatten, um nie wiedergutzumachendes
Unheil anzurichten. Manchmal überlegte Mike, ob das, was er auf diesem Band
gesehen hatte, nicht einfach hemmungslose Hingabe an ein  Spiel gewesen war, nicht gefährlicher im
großen Ganzen gesehen als ein Film über sich balgende junge Katzen oder Tiere
bei der Paarung. Er war entsetzt gewesen über das Band, das war nicht zu
leugnen, aber er fragte sich, ob sein Entsetzen nicht einer Mischung aus
peinlicher Verlegenheit und unsicherem Wissen über die Folgen entsprang (sowie
dem sicheren Wissen, dass die Folgen ihn ganz direkt treffen würden). Wäre
seine Reaktion ebenso heftig gewesen, wenn er das Band als Privatperson zu
sehen bekommen hätte? Möglich , dachte er. Auf dem
Band waren Kinder. Das Mädchen war erst vierzehn.
    Trotzdem.
    Mike öffnete die Augen wieder und ging zu seinem Wagen zurück. Er
würde nicht wieder nach Avery zurückkommen. Ganz sicher nicht. Er würde jetzt
in südlicher Richtung fahren, nach New York, wo diese kleine Wohnung auf ihn
wartete. Am Auto angekommen, drehte er ein wenig den Kopf, sodass er mit einem
Blick das ganze Tor von Avery umfassen konnte – dunkel, verschlossen, in
Erwartung junger Menschen.

Rob
    R ob schrieb:
    Sehr geehrte Ms. Barnard,
    ich hoffe, ich kann etwas zu Ihrem Wissen und Verständnis der
Ereignisse von 2006
beisteuern. Ich habe seit zwei Jahren nichts mehr geschrieben, was man als
Beitrag zu Wissenschaft und Forschung werten könnte. Ich hoffe aber, dass ich
eines Tages mehr beitragen werde, auch wenn ich jetzt noch nicht weiß, auf welchem
Gebiet.
    Ich begann damals mein letztes Schuljahr mit großem Optimismus.
Abgesehen von den Vergünstigungen, die einem an jeder Privatschule gewährt
werden, wenn man zu den Älteren gehört, erwartete ich für mich eine führende
Rolle in einem hervorragenden Basketballteam. Und ich freute mich auf den
Förderunterricht für die besonders Begabten bei den besten Lehrern in Avery.
Mir war klar, dass es mich viel Zeit kosten würde, mich zu entscheiden und die
Bewerbungsformalitäten der verschiedenen Universitäten zu erledigen, an denen
ich mich bewerben wollte, aber ich fand diese ganze Prozedur auch ungeheuer
spannend. Ich wusste, dass mein schulischer Leistungsnachweis mit seinen Hochs
und Tiefs ungewöhnlich war (wobei die Hochs eine Spur ungewöhnlicher waren als
die Tiefs), und ich war ziemlich sicher, dass ich mindestens eine Empfehlung
für außerordentliche Leistungen erhalten würde. Meine Testergebnisse waren auch
sehr gut, und ich hoffte, dass ich an der Brown-Universität bevorzugt
angenommen werden würde. Ich war im Frühjahr dort gewesen und dann noch einmal
im Sommer, und sofort hatte sich dieses Gefühl von Zugehörigkeit eingestellt,
von dem meine Lehrer und Studienberater immer gesprochen hatten. An der Brown
gefiel mir besonders, dass es kein Kerncurriculum gab. Zum ersten Mal in meinem
Leben würde ich mich ganz auf die Gebiete konzentrieren können, die mich am
meisten interessierten. Der Tag, an dem ich die Zusage von dort bekam, war für
meine Eltern und mich ein ganz besonders schöner.
    Aber ich freute mich auch noch aus einem anderen Grund auf mein
letztes Schuljahr. Je weiter man war, desto mehr Freiheit ließen sie einem in
Avery. Schon wenn man einfach ins Auto eines externen Mitschülers steigen und
zum Pizzaholen fahren konnte, war das etwas Tolles. In einer Privatschule fühlt
man sich ungeheuer eingeschränkt, und die Regeln sind natürlich streng. Aber
wenn man gut angesehen ist, und die Leute einem vertrauen, wird auch einmal ein
Auge zugedrückt. An manchen Tagen hatte ich das Gefühl, unbedingt hinaus zu
müssen. Da ich ein interner Schüler war, durfte ich kein Auto haben, also habe
ich lange Wanderungen unternommen – durch den Ort, auf Umwegen wieder zurück
und manchmal, sonntags, hinauf in die Berge. Ich bin schon immer gern gewandert.
Da kann ich am besten denken.
    Silas Quinney kannte ich seit der elften Klasse, James Robles (J. Dot) lernte ich am ersten Tag
meines letzten Jahres kennen. Ich hatte im Frühsommer von

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