Weil sie sich liebten (German Edition)
unserem Coach gehört,
dass ein Post Graduate, den die Gonzaga angeworben hatte, zu uns kommen sollte.
Ich hatte ein bisschen Sorge, dass er mir die Schau stehlen würde, denn im
Allgemeinen war es so, dass die PG s das Sagen
hatten. Sie gaben privat den Ton an und waren in der Mannschaft meistens die
Stars. Ich verstehe ja, dass die Schulen sich gern PG s
holen, aber im Grunde genommen machen diese älteren Schülern denen, die sich
vier Jahre lang abgemüht haben, alles kaputt.
Ein weniger herausragender Spieler zum Beispiel, der in Schul- und
Ortsligen unendlich viel Zeit in den Basketball gesteckt hat und gerade auf dem
Sprung in die obere Mannschaft ist, kommt vielleicht in seinem letzten Jahr
nicht zum Zug, weil ein PG ihm den Platz
wegschnappt. Außerdem waren die PG s, die ja das letzte Schuljahr schon mal erlebt und
meistens auch einen Abschluss in der Tasche hatten, der Schule gegenüber
ziemlich zynisch. Sie machten einem eigentlich jede Veranstaltung mies. Sie
wären zum Beispiel nie zu den Schulpartys gegangen und hätten sich auch nicht
etwa auf einer Mobilisierungsveranstaltung für das Footballteam sehen lassen.
Schulsolidarität war unter ihrer Würde. Aber um aufs Thema zu kommen – auf Ihr
Thema jedenfalls –, sie hatten häufig reichlich Erfahrung mit Alkohol und
Drogen. Sie wussten genau, wo man das Zeug bekommt. Ich kann nicht behaupten,
dass es ohne PG s weniger Alkohol in der Schule
gegeben hätte, aber die PG s machten ihn zu etwas
Begehrenswertem. Sie waren so etwas wie Promis an der Schule, und es war
schwer, ihrem Vorbild zu widerstehen.
J. Dot zu
widerstehen, war besonders schwer. Er war groß und sah gut aus, wirkte immer
ein bisschen verpennt, war aber unheimlich witzig, meistens auf Kosten anderer.
Er konnte jeden fertigmachen, besonders die Lehrer, und wenn er Bordwin oder
Coach Blount imitierte, war er umwerfend. Es grenzte an Ketzerei, sich über den
eigenen Coach lustig zu machen, aber J. Dot
konnte es sich aus irgendeinem Grund erlauben. Die Kehrseite dieser lustigen
Unterhaltung war natürlich, dass man selbst das Opfer seiner Witzeleien wurde,
sobald man ihm den Rücken kehrte. Manchmal, wenn ich aus seinem Zimmer ging, zog ich unwillkürlich die Schultern zusammen,
weil ich das Gefühl hatte, jetzt kämen die Pfeile geflogen. Dabei bin ich
sicher, dass J. Dot mich als
einen seiner besten Freunde in Avery betrachtete, so verrückt sich das anhört.
Ich glaube nicht, dass er eine Ahnung davon hatte, was Freundschaft, Vertrauen
oder Loyalität wirklich bedeuten. Diese Dinge kamen bei ihm einfach nicht vor.
Trotzdem war ich viel mit ihm zusammen. Wir alle aus der Mannschaft waren das,
auch außerhalb der Spielzeit. Wir waren ein fest zusammengeschweißtes Team.
Silas hatte ich sehr gern, obwohl ich ihn nicht mehr so viel sah, nachdem er Ende der elften Klasse
mit einem Mädchen namens Noelle zusammengekommen war. Silas war ein guter Typ.
Die jüngeren Spieler haben ihn verehrt. Vor J. Dot
hatten sie Angst, aber Silas haben sie ehrlich gemocht. Ich denke an Jungs wie Rasheed,
Irwin, Jamail, Jay und Christian, die Zehnt- und Elftklässler in der Mannschaft.
Sie haben J. Dot immer wie
gebannt zugesehen, aber gehört haben sie auf Silas. Ich habe oft gedacht, dass
Silas mal ein Riesentrainer werden würde. Er sagte immer, er würde gern an
einer Highschool unterrichten. Aber ich glaube, er hatte keine Ahnung, was er
wirklich mal werden wollte; er wusste nur, dass er auf keinen Fall den Hof
seines Vaters übernehmen wollte. Er liebte den Hof, und man merkte, wie stolz
er auf sein Zuhause und seinen Vater war. Aber er wusste aus eigener Erfahrung,
was es hieß, so einen Hof am Laufen zu halten, und die Last wollte er sich
nicht aufbürden.
Am Morgen des einundzwanzigsten Januar war ich vor dem Spiel gegen
Faye in der Garderobe. Ich war früher gekommen, weil ich mein Knie noch tapen
wollte. Ich dachte, ich wäre allein, abgesehen vom Coach, den ich kurz vorher
gesehen hatte, aber dann hörte ich aus einer Ecke ein Geräusch. Es hörte sich
an, als schlüge oder träte jemand gegen einen Spind. Ich kümmerte mich nicht
darum; es kam dauernd vor, dass jemand gegen die Spinde trat. Aber dann hörte
ich etwas, das wie Weinen klang. So ein
zorniges Weinen, mit Schniefen und halblautem Fluchen.
In der Ecke stand Silas und trat mit dem Fuß gegen den unteren Teil
seines Spinds. Er hatte die Augen geschlossen, sein Kopf war gesenkt, und er
hatte geweint. Weinte vielleicht immer
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