Weil sie sich liebten (German Edition)
Jeep
unter ein paar alten Decken versteckt. Wir waren alle einer nach dem anderen
mit unseren Büchertaschen auf den Parkplatz hinausmarschiert und hatten
heimlich das Bier ins Haus gebracht. Man sollte meinen, jeder Lehrer mit einem
Funken Grips hätte sofort gemerkt, was los war, aber anscheinend wurde der
Parkplatz für die Externen an dem Abend nicht überwacht. Am frühen Abend hatten
wir bestimmt an die drei Kästen im Zimmer, dazu ein halbes Dutzend Flaschen
Bacardi. J. Dot hatte die
Musik aufgedreht, dass es dröhnte, aber kein Mensch beschwerte sich. Nicht
viele hatten den Mut, bei J. Dot
zu klopfen und sich zu beschweren, und ich vermute, sogar die Aufsichtslehrer
hatten das Gefühl, dass am Nachmittag beim Spiel etwas ziemlich Schlimmes passiert
war und wir alle ein bisschen Dampf ablassen müssten. Jamail war mit da, dann
noch Jay und Irwin und ein paar andere Typen.
Wie das meistens so läuft, wenn alle erst mal so richtig in Stimmung
sind, mussten natürlich Mädchen her. Da Jungs und Mädchen in getrennten Wohnheimen
untergebracht waren, mussten wir sehen, wo wir sie herkriegten. Draußen war es
unter null und niemand hatte von einer privaten Fete außerhalb des Schulgeländes
gehört, blieb also nur die Schulparty. Diese Feste waren meistens ziemlich
lahm, aber woanders gab es keine Mädchen.
Immer wieder habe ich gedacht: Wenn es an dem
Abend nicht so kalt gewesen wäre … Wenn plötzlich ein Lehrer in J. Dots Zimmer gekommen wäre … Wenn Silas den Ball nicht auf die
Tribüne geworfen hätte … Wenn das Mädchen J. Dot
nicht gleich so angebaggert hätte, als er in der Kantine zur Tür hereinkam …
In den letzten zwei Jahren bin ich sämtliche »Was wäre geschehen,
wenn« durchgegangen, die man sich nur vorstellen kann.
Ich möchte den richtigen Namen des Mädchens hier nicht nennen, auch
wenn inzwischen zwei Jahre vergangen sind und dieser Bericht einzig zu
Forschungszwecken gedacht ist. Ich nenne sie lieber »Sienna«, das ist, soviel
ich weiß, der Name, unter dem sie jetzt auftritt.
Wir wussten alle, was Sienna für eine war. Wir wussten schon zehn
Minuten nach ihrer Ankunft im Internat, was sie für eine war. Man schaut sich
die neuen Mädchen immer gleich an, unterzieht sie einer genauen Musterung,
redet über sie und macht sich ein Bild. Bei ihr war das leicht getan: scharf
und ein bisschen durchgeknallt. Mich hat es, ehrlich gesagt, gewundert, dass J. Dot nicht gleich in der ersten
Woche auf sie abgefahren ist. Jeder konnte sehen, dass sie ganz heiß auf die PG s war. Aber aus irgendeinem Grund, er hat nie gesagt,
wieso, hat er nie auf sie reagiert. Und eines kann ich Ihnen sagen: Der Altersunterschied
war bestimmt nicht der Grund. Sie finden das vielleicht unglaublich in
Anbetracht der Ereignisse und der Schwere des Verbrechens, aber ich glaube nicht,
dass auch nur einer von uns sich wegen des Altersunterschieds Gedanken machte.
Ich jedenfalls sicher nicht. Natürlich wussten wir, dass da ein Missverhältnis
bestand, aber ich glaube, weil wir alle zu einer Gemeinschaft gehörten,
dieselben Feste besuchen durften, ja, sogar dazu angeregt wurden, dieselben
Fest zu besuchen, kamen wir gar nicht auf die Idee, dass das eine Mädchen für
uns tabu sein könnte und ein anderes nicht. Niemand schlug uns auf den Finger,
wenn wir uns mit Mädchen aus der Neunten trafen. Und jeder weiß schließlich,
dass es in den meisten solchen Freundschaften früher oder später zu Sex in
irgendeiner Form kommt. Ich kannte einmal eine Zwölftklässlerin, die mit einem
Jungen aus der Neunten ging. Ein bisschen traurig war das schon, aber, wie
gesagt, es war nicht verboten.
Das soll keine Entschuldigung sein, denn für das, was später an dem
Abend passierte, gibt es keine Entschuldigung. Es ist auch gar nicht mein
Anliegen, mich jetzt irgendwie herauszureden. Was wir getan haben, haben wir getan.
Ich finde es nur merkwürdig, dass es keinem an der Schule einfiel, auch nur
einen der Schüler darauf hinzuweisen, dass es im Staat Vermont strafbar ist,
wenn ein Schüler der zwölften Klasse mit einer Schülerin der neunten Klasse
schläft. Es wäre nett gewesen, wenn irgendjemand das irgendwann einmal erwähnt
hätte.
Auf der Party hat Sienna sich sofort an J. Dot rangeschmissen. J. Dot
war samstagabends schon oft betrunken gewesen, ich habe keine Ahnung, warum er
sie ausgerechnet an dem Abend sofort bei der Hand nahm, als er zur Tür
hereinkam, und mit ihr auf die Tanzfläche ging. War er stärker
Weitere Kostenlose Bücher