Weil sie sich liebten (German Edition)
werden.«
Die Jungen sahen einander nicht an.
»Und noch etwas«, fuhr Mike fort. »Ich möchte wissen, wer hinter der
Kamera stand.«
Beide Jungen schwiegen.
»Okay«, sagte Mike. »Ganz wie Sie wollen.« Er nahm zwei Blätter
liniertes Papier und zwei Kugelschreiber aus der obersten Schublade seines
Schreibtischs. »Wenn Sie nicht wollen, dass das Band am Freitag dem
Disziplinarausschuss vorgeführt wird«, sagte er, »legt jetzt jeder von Ihnen
ein schriftliches Geständnis ab. Ich verlange Einzelheiten. Namen. Zeiten. Genaue
Angaben über die Mengen von Alkohol, die Sie getrunken haben. Das alles
schreiben Sie mir jetzt auf. Sie werden diesen Raum erst verlassen, wenn ich
zwei umfassende, von Ihnen unterzeichnete Geständnisse in der Hand habe.«
»Rufen Sie meine Eltern an?«, fragte J. Dot.
»Ja.«
J. Dot warf sich
wie in heftiger Empörung gegen die Rückenlehne seines Stuhls. »Was haben meine
Eltern damit zu tun?«, fragte er.
»Ich nehme an, sie werden wissen wollen, dass ihr Sohn von der
Schule geflogen ist.«
»Aber ich bin für mich selbst verantwortlich. Ich bin neunzehn.«
»Genau das ist das Problem. Also, schreiben Sie alles nieder, was
Sie von diesem Abend noch im Kopf haben, und unterschreiben Sie dann. Ich
sperre die Geständnisse zu dem Band in den Safe. Am Freitag lege ich den
Mitgliedern des Disziplinarausschusses nur die Geständnisse vor. Sie sollten
anwesend sein, falls es Fragen gibt.«
»Und was ist mit Silas?« J. Dot
sah sich demonstrativ im Zimmer um. »Wo ist er?«
»Wir suchen ihn«, antwortete Mike. »Er wird ebenfalls aufgefordert
werden, ein Geständnis niederzuschreiben.«
»Und die Kleine?«
»Mit dem jungen Mädchen habe ich schon gesprochen«, sagte Mike.
»Und …?«, fragte J. Dot.
»Und was?«, fragte Mike zurück.
»Und hat sie Ihnen gesagt, dass sie die treibende Kraft war?«
»Es war ein vertrauliches Gespräch«, erklärte Mike. »Und das bleibt
es für den Moment auch.« Er fühlte sich hier rechtlich auf unsicherem Boden.
»Niemand sonst bekommt die Geständnisse zu sehen?«, erkundigte sich
J. Dot.
»Niemand sonst, nein«, bestätigte Mike. »Und am liebsten wäre mir,
Sie würden die ganze üble Angelegenheit die nächsten Tage für sich behalten.
Ich wüsste nicht, warum jemand außerhalb der Mauern von Avery davon erfahren
sollte. Ich habe mir das Band angesehen und eingehend Gedanken gemacht und bin
danach der Auffassung, dass die Sache intern geregelt werden kann.«
Mike schob Papier und Stifte über den Tisch. Rob starrte darauf
hinunter, als würde von ihm verlangt, sein eigenes Todesurteil zu
unterschreiben. J. Dot ergriff
einen Stift und schnippte ihn auf und nieder, sodass er rhythmisch auf den
Schreibtisch schlug.
»Keiner geht, solange ich nicht die unterschriebenen Geständnisse
vor mir habe«, erklärte Mike noch einmal. »Ich bleibe hier sitzen, während Sie
schreiben. Was Sie getan haben, ist unsäglich, und es wird schwerwiegende
Folgen haben.«
J. Dot strich das
Blatt Papier glatt, das vor ihm lag. Rob blieb weiter reglos und stumm.
»Ich sage Ihnen, was ich persönlich gern wissen würde«, bemerkte
Mike und beugte sich vor. » Warum ?«
J. Dot krümmte den
Rücken zu einem übertriebenen Schulterzucken. Rob – der Junge, den Mike einmal
hoch geachtet hatte – senkte langsam die Stirn in Richtung der glänzenden
Mahagonioberfläche des Schreibtischs.
Mike war immer noch angespannt, obwohl die Geständnisse nun seit
mehr als einer Stunde sicher im Safe lagen. Er hatte sie gelesen, bevor er sie
eingeschlossen hatte. Das von J. Dot
war von Abwehr diktiert. In ihm betonte der junge Mann noch einmal, dass bei
der ganzen Episode das Mädchen die treibende Kraft gewesen sei, dass sie sich
den Jungen angeboten habe, dass sie betrunken gewesen sei, als sie J. Dot bei der Tanzveranstaltung
angesprochen hatte. An keiner Stelle in seinem Geständnis räumte J. Dot eigene Schuld ein.
Robs Geständnis, ebenfalls kurz, las sich wie ein Polizeibericht.
Der Junge gab genau an, wo und wie viel er getrunken hatte, um welche Zeit sie
alle sich von der Tanzveranstaltung verabschiedet, wie lange etwa sie sich in
dem Wohnheimzimmer aufgehalten und was er und das Mädchen miteinander getan
hatten. Er versuchte nicht, dem Mädchen oder einer anderen Person Schuld
zuzuweisen. Er hatte das Papier mit Robert Leicht, 06 unterschrieben. Mike war sicher, dass er automatisch so unterschrieben hatte
und nicht aus Trotz, denn er musste gewusst haben,
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