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Weil sie sich liebten (German Edition)

Weil sie sich liebten (German Edition)

Titel: Weil sie sich liebten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Zimmergenossin wedelte wie verrückt
mit dem Arm zum Zeichen, dass ich die Person, die draußen stand, abwimmeln
sollte. Ich ging zur  Tür und erklärte
meiner Freundin Katie, ich telefonierte gerade mit meiner Mutter und würde zu
ihr rüberkommen, wenn ich fertig sei. Dann habe ich mich auf mein Bett gesetzt
und nur noch meine Zimmergenossin angestarrt.
    Ich hörte, wie sie sagte, es wären drei Jungs gewesen, zwei aus der
Oberstufe und ein Post Graduate. Und dass es Samstagabend passiert sei. Dass
sie keinem Menschen was gesagt hätte, weil sie Angst hatte. Sie sagte, sie wäre
nicht beim Arzt gewesen. Es wäre nicht wichtig. Und sie würde auch nicht zum
Arzt gehen. Nein, sagte sie, sie  hätte
die Jungs nicht gekannt. Die hätten sich gegen sie verbündet. Und noch etwas
müsse sie ihrer Mutter sagen: Es könnte sein, dass es ein Band gebe.
    Ich konnte das Kreischen ihrer Mutter durchs ganze Zimmer hören.
    »Ich habe doch nicht gewusst, dass da jemand gefilmt hat«, winselte
meine Zimmergenossin. »Ich war doch mit Drogen vollgepumpt.« Dann heulte sie wieder.
Sie wolle mit niemanden darüber reden. Nein, nein, nein, dem Betreuer, der
gerade Dienst hatte, würde sie auch nichts sagen. Sie habe nur ihrer Mutter
Bescheid sagen wollen, für den Fall, dass ihr etwas darüber zu Ohren komme.
Nein, sie habe keine körperlichen Verletzungen. Sie glaube es jedenfalls nicht.
Und die ganze Zeit heult und schluchzt sie, dass ihr der Schnodder aus der Nase
läuft, und fleht ihre Eltern an, dass sie sie hier wegholen sollen. Sie hasse
die Schule, sagt sie. Sie wolle nur nach Hause.
    Dann hat sie endlich Schluss gemacht, und ich habe ihr ein
Papiertaschentuch gegeben. »Geht’s?«, habe ich gefragt.
    Sie hat geschnieft und sich geschnäuzt, dann hat sie in den Spiegel
geschaut und ihre Augen abgetupft.
    »Mir geht’s prima«, hat sie gesagt.
    Ich schwör’s, genau das hat sie gesagt.

Noelle
    E s ist Mai, und es wird gleich dunkel.
Zum ersten Mal seit Wochen liegt nicht dieser kalte Hauch in der Luft. Den
ganzen Tag haben alle im Hof Frisbee gespielt. Silas hat Baseball als dritte
Sportart, aber er spielt nicht gut und nimmt es auch nicht ernst. Manchmal darf
er an der zweiten Base anfangen, aber meistens sitzt er auf der Bank. Er hat
eine Menge Ballgefühl und ist der geborene Sportler, aber mit dem Schlagholz
trifft er nicht sehr gut. Er könnte noch zusätzlich zum Schlagtraining gehen,
aber im Grunde interessiert ihn Baseball nicht besonders. Silas liebt
Basketball. Er würde jede Saison Basketball spielen, wenn er könnte. Nach dem
Training und dem Abendessen in der Kantine setzen wir uns draußen auf den
Rasen, bis es dunkel wird. Die Fenster der Wohnheime sind offen, und hin und wieder
hören wir Stimmen und Musik, manchmal auch ein Rufen oder Türenschlagen.
    Wir sitzen nahe beieinander, die Beine vor uns ausgestreckt. Ich
lege mich rückwärts ins Gras. Das ganze Frühjahr schon suchen Silas und ich
ständig nach Plätzen, wo wir allein sein können. Wir sprechen nicht darüber,
aber es ist so. Meistens setzen wir uns in Silas’ Auto. Bei schönem Wetter
legen wir uns ins Gras. Heute musste ich den ganzen Tag daran denken, dass
meine Zimmergenossin übers Wochenende nach Hause gefahren ist und erst
Sonntagabend zurückkommt. Ich habe hier an der Schule noch nie etwas Verbotenes
getan, und ich überlege, ob ich mich das trauen soll.
    Meine Shorts und mein T-Shirt sind hinten schon ganz feucht vom Tau,
es wird jetzt schnell kühl. Sogar Anfang Mai sind die Abende in Vermont noch
kalt.
    Ich stehe auf und strecke Silas die Hand hin.
    Als wir bei meinem Wohnheim um die Ecke biegen, muss Silas
erraten haben, was ich vorhabe, aber er sagt kein  Wort. Würde man uns beide dafür rauswerfen?
Ich sage ihm, er soll vor der Tür warten, während ich hineingehe und sehe, ob
im Aufenthaltsraum die Luft rein ist. Drinnen ist kein Mensch und der
Fernsehapparat läuft nicht. Heute Abend wollen alle woanders sein. Ich mache
die Tür auf und winke Silas. Er zieht seine Schuhe aus, das erstaunt mich.
Vielleicht tut er das zu Hause immer, wenn er später kommt als er seinen Eltern
versprochen hat. Ich erinnere mich an sein Zimmer im oberen Stock. Nun gehe ich
ihm zu meinem Zimmer im oberen Stock voraus und
bemühe mich, so leise wie möglich zu sein. Silas legt mir die Hand in den
Rücken, und ich schwanke, entweder weil ich aus dem Gleichgewicht geraten oder
weil ich so aufgeregt bin.
    An der nächsten Treppe bedeute ich ihm zu

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