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Weil sie sich liebten (German Edition)

Weil sie sich liebten (German Edition)

Titel: Weil sie sich liebten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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warten. Ich laufe
voraus zu meinem Zimmer, sperre auf und lasse die Tür einen Spalt offen. Dann
gebe ich ihm durch die Drahtglasfenster der Tür zum Treppenhaus hin ein
Zeichen, dass er kommen soll. Er flitzt durch den Korridor und huscht in mein
Zimmer wie ein Soldat in geheimer Mission. Wir müssen beide lachen und versuchen,
dabei leise zu sein.
    Ich habe ihn nur aus einem Grund mit auf mein Zimmer genommen,
und wir kennen ihn beide. Silas zieht mich an sich und küsst mich fest. Er
schiebt die Hand unter mein T-Shirt und nestelt hinten am Verschluss meines BH s, hat aber offensichtlich Schwierigkeiten. Ich warte
einen Moment, dann hake ich den Büstenhalter selbst auf. Silas hilft mir aus
den Sachen, bevor er seinen Gürtel aufmacht. Er zieht ihn mit einem Ruck durch
die Schlaufen und öffnet dann den Reißverschluss seiner Jeans. Er zieht sie aus
und steht jetzt nur noch in Hemd und Boxershorts vor mir. Habe ich daran
gedacht, die Tür abzusperren?
    Sich lieben, das ist nicht ein einzelner kurzer Moment, wie ich
entdecke. Sich lieben, das sind hundert Momente, hundert Türen, die sich
auftun, Türen zu Räumen, die man noch nie vorher betreten hat. Jede zärtliche
Berührung ist eine solche Tür, und alle diese zum ersten Mal aufgestoßenen
Türen öffnen sich einzigartigen und wunderbaren Räumen. Keine dieser Türen
scheint weniger bedeutsam zu sein als die letzte, die eigentlich überhaupt
nicht die letzte ist, weil es immer noch die Tür dahinter gibt und die dahinter.
Als ich alle diese Türen, alle diese Räume durchschritten habe und still in
Silas’ Armen liege, bin ich verwandelt. Ich bin eine andere geworden, eine
Frau.
    Silas spricht nicht bei der Liebe, und darüber bin ich froh. Ich
bin froh, dass er mir nicht versichert, wie sehr er mich liebt. Es käme mir vor
wie eine Bezahlung, wie etwas, das ich kalkuliert habe. Ich möchte lieber, dass
Silas mir das auf dem Weg den Berg hinauf sagt oder auf dem Rasen im Schulhof
oder auf dem Weg zum Physikunterricht.
    Als wir beinahe alle Türen geöffnet und beinahe alle Räume
durchschritten haben, und ich in seinen Armen liege und darüber nachdenke, dass
ich jetzt eine Frau bin, summt Silas’ Handy. Das Summen ist erschreckend in der
Stille, und einen Augenblick lang fürchte ich, wir sind entdeckt worden. Aber
schon im nächsten Moment weiß ich, was das Summen zu bedeuten hat. Noch bevor
Silas sein Handy öffnet, weiß ich, wie die Nachricht lauten wird.
    Komm nach Hause.
    Ein Lamm braucht Geburtshilfe.

Silas
    E s war kurz vor den Sommerferien, als ich
das letzte Mal mit dir diesen Weg hinaufgegangen bin, ich habe dich vorausgehen
lassen und zugesehen, wie du dich bewegst. Du hast mich gefragt, ob ich schon
einmal auf der Jagd gewesen sei, und ich sagte Ja, weil ich dich nicht hätte belügen
können. Du warst schockiert und hast mich gefragt, was das für ein Gefühl sei,
auf ein fliehendes Tier zu schießen oder einen Vogel zu töten und zuzusehen,
wie er aus dem Himmel fällt. Ich konnte dir nicht antworten. Dann hast du gefragt,
ob ich schon einmal ein Reh getötet habe, und ich habe mich geschämt, obwohl
ich mich vorher deswegen noch nie geschämt hatte, und ich sagte Ja. An deinem
Rücken konnte ich erkennen, dass dich fröstelte, und ich erinnere mich, dass du
an diesem Nachmittag ein wenig von mir abgerückt bist, als wir uns auf einen
Felsen setzten, sodass es keine Berührung zwischen uns gab. Ich begriff, dass
ich an diesem Nachmittag besser gar nicht versuchen sollte, dich anzufassen, du
musstest erst über die Sache mit dem Reh hinwegkommen. Ich habe dir erklärt,
wie mir zumute war, dass ich so etwas nicht wieder tun wollte, ich meinte das
ganz ehrlich, aber ich bin nicht sicher, ob du mir geglaubt hast. Es war ein so
schöner Tag, unten konnte ich das Haus und das Auto erkennen, und ich hätte
dich so gern in die Arme genommen und dir gesagt, dass ich dich liebe, aber ich
wusste, dass du bei allem, was ich jetzt sagte, an das Reh denken würdest,
darum sagte ich nichts, obwohl die Worte unbedingt herauswollten. Ich wusste,
dass ich dich liebe, und ich wollte, dass du es auch weißt. Ich hatte Angst, es
könnte etwas passieren, etwas zwischen uns treten, und ich könnte vielleicht
nie dazu kommen, es dir zu sagen. Lange habe ich das gefürchtet.
    Aber ich habe es dir gesagt und ich bin froh darüber. Ich bin froh,
dass du weißt, wie sehr ich dich geliebt habe.
    Aber nun ist diese furchtbare Sache zwischen uns getreten, und es
wird

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