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Weil sie sich liebten (German Edition)

Weil sie sich liebten (German Edition)

Titel: Weil sie sich liebten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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bewegen uns hier auf dünnem Eis«, sagte
ich nachdrücklich. »Wenn wir die Polizei nicht informieren, könnte uns das
als  Vertuschungsversuch ausgelegt
werden.«
    »Meiner Meinung nach sollte das eine interne Angelegenheit bleiben«,
erwiderte Bordwin, der wieder etwas Farbe bekommen hatte. »Auf jeden Fall schulden
wir es den Jungen, dass wir sie anhören, bevor wir die Polizei informieren,
falls wir das überhaupt tun wollen. Denn sobald die Geschichte publik wird, haben
wir die Presse auf dem Hals. Wir hatten noch gar keine Zeit für eine
angemessene Einschätzung der Lage.«
    »Aber glauben Sie denn nicht, dass sie bereits publik ist , wenn man bedenkt, wie viele Schüler vielleicht schon
von dem Band wissen?«, fragte ich.
    »Publik innerhalb der Schule ist nicht das Gleiche wie öffentlich
bekannt«, entgegnete er.
    »Haben Sie mit den Eltern des Mädchens gesprochen?«, fragte ich ihn.
    »Ich werde gleich morgen früh mit dem Mädchen selbst sprechen.«
    »Soll ich das vielleicht übernehmen?«
    »Das schaffe ich schon«, versetzte er.
    Zu dem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass Bordwin vorhatte, den Jungen
schriftliche Geständnisse abzunehmen. Ich kann allerdings auch nicht sagen, ob
er das wirklich getan hat.
    Wir sprachen einen Moment darüber, was für ein Schock es war, Silas
Quinney und Rob Leicht auf dem Band zu sehen, dass kein Mensch ihnen ein
solches Verhalten zugetraut hätte.
    » Sie waren doch bei dieser Tanzerei dabei,
Geoff?«, fragte er.
    Ich nickte.
    »Sie sprachen von exzessivem Alkoholkonsum, soweit ich mich
erinnere.«
    »Habe ich wirklich dieses Wort gebraucht?«, fragte ich. » Exzessiv ?«
    »Ich glaube schon. Ich habe es mir sogar in meinen Unterlagen
notiert, wenn ich mich nicht irre. Ich mache Ihnen gern bis morgen eine Kopie.«
    Ich überlegte, ob Bordwin versuchte, mir die Schuld an dem Fiasko
zuzuschieben. »Ich bin zwar der für Schülerangelegenheiten zuständige Mann«,
erinnerte ich ihn, »aber für diese besondere Veranstaltung war ich nicht
persönlich zuständig. An dem Abend hatte Asa Troy die Aufsicht, wie Sie sicher
wissen.«
    »Gewiss, aber würden Sie nicht auch sagen, dass wir alle für diese
Veranstaltung verantwortlich waren«, entgegnete er in einem selbstgerechten
Ton, den ich selten bei ihm gehört hatte.
    Ich stand auf. »Ich glaube, in dieser Angelegenheit ist für den
Moment alles gesagt.« Bordwin nickte zustimmend und ich ging.
    Ich konnte mich nie so richtig für Bordwin erwärmen. Ich muss
zugeben, dass er ein guter Geldbeschaffer war – er war ungewöhnlich geschickt
in dieser Hinsicht –, aber für meine Begriffe hat er es versäumt, an der Schule
moralische Maßstäbe zu setzen. Er war keine Führernatur, ihm hat die
Leidenschaft gefehlt, er hat sich nicht aktiv bemüht, das Beste aus den Schülern
herauszuholen. Meiner Ansicht nach fühlte er sich etwas zu wohl mit dem Status
quo. Die Schule brauchte jemanden, der nicht nur die Schüler, sondern auch die
Lehrer vor Herausforderungen stellte, aber dafür war Mike Bordwin nicht der
Mann.
    Ich war immer der Überzeugung, dass das Kuratorium zu schnell bereit
war, ihn auf Dauer zu berufen, aber da ich selbst im Rennen um den Posten war,
gehörte es sich natürlich für mich nicht, Einwände zu erheben. Nach dem
juristischen Heckmeck und dem Medienrummel nach der Verhaftung der Jungen wegen
sexueller Nötigung und nach Bordwins Rücktritt setzte sich beim Kuratorium die
Auffassung durch, dass ich für die Schule der beste Mann sei, und man bot mir
den Posten des Schulleiters an. Mehrere Kuratoriumsmitglieder sagten, diese
Entscheidung sei längst überfällig gewesen.

Mike
    D as Gespräch mit dem jungen Mädchen,
dessen Namen er dem Schülerverzeichnis entnommen hatte, war qualvoll gewesen.
Wie sie ihm da leibhaftig am Schreibtisch gegenübersaß, wirkte sie sehr klein
und sehr verwirrt. Anfangs schien sie gar nicht zu wissen, wovon er sprach.
Dann gab sie zu, in dem Wohnheimzimmer gewesen zu sein. Könne sein, dass sie
etwas getrunken habe, sie wisse es nicht mehr. Von dem kompromittierenden Band
schien sie keine Ahnung zu haben und war entsetzt, als sie von seiner Existenz
erfuhr. Sie weinte. Und doch hatte Mike die ganze Zeit, während sie da vor ihm
saß, das Gefühl, dass unter der Oberfläche etwas in ihr aufs Äußerste angespannt
war. Er wusste jedoch nicht, ob er diesem Eindruck trauen konnte, da es ihm
während des ganzen Gesprächs nicht gelang, die Bilder des Films zu verbannen, die
sich

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