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Weil sie sich liebten (German Edition)

Weil sie sich liebten (German Edition)

Titel: Weil sie sich liebten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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halte das Buch hoch.
    »Ich dachte, du wärst mit Silas unterwegs.«
    »Er ist krank«, sage ich.
    »Echt.« Sherry beißt sich auf die Unterlippe.
    »Wieso?«, frage ich.
    »Na ja, ich dachte nur, ich hätte ihn eben gesehen.« Ich merke ihr
an, dass sie es bereut, bei mir hereingeschaut zu haben.
    »Wo?« Ich richte mich auf.
    »Ich glaube, ich habe ihn auf der Party gesehen, aber vielleicht war
er’s ja gar nicht«, versucht sie zurückzurudern.
    »Silas auf der Party?«, frage ich. »Auf der Party in der Kantine?«
    »Genau. Aber ich bin nicht sicher. Wie gesagt, vielleicht war er’s
gar nicht.«
    Ich weiß, dass sie lügt.
    »Da sind heute Abend ein Haufen Leute aus der Oberstufe«, fügt sie
hinzu.
    »Wieso?«
    »Nichts Besseres zu tun wahrscheinlich. Die Straßen sind alle
vereist.«
    »Komisch«, sage ich.
    »Ich muss los«, sagt sie.
    Ich hocke wie versteinert auf meinem Bett, das Buch reglos in
der Hand. Silas ist nicht krank. Er ist ohne mich auf eine Party gegangen. Auf
eine Party, die ihn normalerweise überhaupt nicht interessiert hätte.
    Vielleicht hat Silas eine neue Freundin.
    Nein, das kann nicht sein.
    Ich stehe auf und schaue schnell in den Spiegel an der
Innenseite meiner Schranktür. Keine Zeit zum Duschen. Ich trage ein
Avery-Sweatshirt und eine Jeans, die ich schon den zweiten Tage anhabe. Rasch
fahre ich mir mit der Bürste durch die Haare, die sofort abstehen wie
elektrisch geladen. Wahrscheinlich sind sie das. Die Luft ist trocken, und
draußen sind es höchstens minus fünf Grad. Ich ziehe meinen Parka über das
Sweatshirt und gehe los.
    Laternen erleuchten die Fußwege, und wenn ich es nicht so eilig
hätte, würde ich sagen, es ist herrlich hier draußen mit den Lichtern auf dem
Schnee und dem sternklaren schwarzen Himmel. In der Ferne sehe ich schon die
Kantine. Sie lässt sich auftakeln, sodass sie wie ein Nachtklub aussieht, mit
mehreren Ebenen und Nischen und einer Tanzfläche. Zum Tanzen wird das Licht
heruntergedreht, um eine schummrige Atmosphäre zu schaffen, es erstaunt mich
immer wieder, was man mit Beleuchtung alles machen kann. Bei Tag, wenn das
Licht durch die großen Fenster fällt und auf den Tischen der Puderzucker von
den Donuts und Bücher und Baseballcaps herumliegen, sind die blauen und roten
Wände und das Rautenmuster des fleckigen Teppichbodens gewöhnlich und sogar
richtig hässlich. Aber abends, bei gedämpfter Beleuchtung und mit Teelichtern
auf den Tischen, wirkt der Raum beinahe romantisch.
    Schon beim Näherkommen höre ich die Musik. Den monotonen Beat
der Bässe. Auf der Party sind bestimmt lauter kleine Mädchen aus der Neunten,
die sich einbilden, sie wären auf einem Rave oder in einem Club in Manhattan,
und die mit fuchtelnden Armen und irgendeinem Getränk in der Hand – Cola Light
im Plastikbecher höchstwahrscheinlich – herumtanzen wie die Girlies, die sie
ständig im Kino sehen.
    Ich wollte, ich könnte hineinschauen, ohne selbst gesehen zu
werden. Ich möchte nur wissen, ob Silas da ist. Auf der Treppe kommt mir ein
Haufen Unterstufenleute entgegen, die alle ins Freie hinauswollen, um zu
rauchen oder etwas Richtiges zu trinken oder so zu tun, als ob. Sie sind in
Dreier- und Vierergruppen unterwegs. Neuntklässlerinnen sind nie allein. Ich
komme mir ein bisschen vor wie eine Mutter, die sich auf einer
Schulveranstaltung umsieht – nicht zurechtgemacht, älter und beunruhigt.
    J. Dot und Rob
entdecke ich sofort. Sie sind mindestens einen Kopf größer als die anderen
Jungs, auch als Silas, den ich nicht gleich finde. Es wundert mich ein
bisschen, dass J. Dot und Rob
hier sind. Ist das hier ein Spiel? Ist ihnen aus lauter Langeweile nichts
Besseres eingefallen? Hat J. Dot
oder Rob eine neue Freundin, vielleicht eine aus der Zehnten oder Elften, und
die anderen sind nur zum Spaß mitgekommen? Ich dränge mich ins Gewühl. Mein Fuß
bleibt an etwas Klebrigem auf dem Teppich haften, über das ich lieber nicht
nachdenken möchte. Ich schaue hinunter und dann wieder auf, und da trifft mein
Blick auf Silas. Er tanzt, und das ist an sich schon ungewöhnlich  genug, Silas tanzt nie; und er tanzt wie wild,
was nun wirklich seltsam ist. Ich recke den Hals nach links und nach rechts,
dann habe ich endlich freie Sicht. Er tanzt mit einem zierlichen Mädchen, einer
hübschen kleinen Blonden, die sich auf ihren High Heels erstaunlich locker
bewegt. Mir schießt die Frage durch den Kopf, wie sie es in diesen Schuhen, in
denen ich wahrscheinlich kaum laufen

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