Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
gereicht?“
„Ich … ich hab mich wie ein Idiot benommen.“
„Wie war die Megabeachparty?“
„Total öd. Ohne Martina.“
„Wäre sonst vielleicht auch öd gewesen.“
„Nee. Martina … die ist einfach anders, aber das hab ich zuerst nicht gecheckt. Ich meine, sie schaut wirklich super aus, das war das, was ich mir am Anfang gedacht habe, aber jetzt … geht’s mir nicht mehr darum. Und mit meinen alten Kumpels ist es auch nicht mehr so wie früher. Wir haben uns in den letzten Jahren, in denen ich im Internat war, kaum gesehen. Sie haben sich … irgendwie verändert.“
„Du dich wohl auch.“
„Klar. Aber anders. Oder zumindest jetzt, seit ich Martina kenne. Ich finde es schon sehr cool, dass sie genau weiß, was sie will. Und Winzerin, das ist eigentlich total okay.“
Der Großvater hat einen Teil unseres Gesprächs gehört, er hört nur dann nicht besonders gut, wenn er nichts hören will, kommt jetzt näher und schlägt Simon auf die Schulter. „Ich nehme dich auf dem Traktor mit, ich glaub’, ich weiß, wo sie ist.“
Simon strahlt auf. „Echt? Ist Traktorfahren eigentlich schwierig? Und stimmt es, dass Sie alle unter den Tisch trinken können?“
„Klar“, sagt der Großvater und ich seufze.
„Gesoffen wird hier nicht“, erkläre ich. Die beiden sehen mich an und sind sich nicht sicher, wen von ihnen ich gemeint habe. Sieht so aus, als hätte Simon einen neuen Verbündeten.
Zu Mittag kommen sie zu dritt heim, Martina redet beinahe ununterbrochen auf Simon ein, erklärt ihm, was jetzt noch im Weingarten getan werden muss, wie viel im Keller vorzubereiten ist, damit dann, wenn die Trauben soweit sind, gelesen werden kann. Ihre Augen leuchten und Simon hört zu, als würde es ihn wirklich interessieren. „Ich hab gar nicht gewusst, wie anstrengend das ist“, sagt er und schüttelt seine langen Arme. Martina hat mit ihm, dem Großvater und Josef Netze gegen die Stare gespannt.
Eva klagt, dass die Lesekisten noch immer nicht geliefert worden seien, trotz einiger Anrufe und Mails tue sich nichts. Die Firma ist nur zwanzig Kilometer von Treberndorf entfernt, ich schlage vor, dass ich hinfahre und nachfrage.
„Die Qualitätssorten wollen wir ab heuer ausschließlich in Kisten lesen“, doziert Martina ihrem neuen ergebenen Schüler, „so wird das Traubenmaterial weniger verletzt. In den letzten Jahrzehnten hat es geheißen, je größer der Lesewagen, desto besser, aber: Da entsteht Druck, Saft tritt aus, wenn nicht sofort gepresst wird, dann kann der Most oxydativ werden.“
Der Großvater kann nicht anders, er muss auch Simon die alte Geschichte vom ersten Wort, das Martina gesprochen hat, erzählen: Lesewagen.
Ich lasse mir den Weg beschreiben, durchquere idyllische Weinviertler Dörfer, verirre mich prompt, bin beinahe im Kreis gefahren. Dass es Wegweiser gibt, scheint sich bis hierher noch nicht herumgesprochen zu haben, lande wieder auf der Brünnerstraße. Eine Wolke von Staren zieht vor mir her, es müssen mehrere hundert, vielleicht sogar tausende sein, die Wolke wechselt die Form, wird lang, dann wieder beinahe rund. Ich habe mich ablenken lassen und kann gerade in letzter Sekunde noch verreißen, wäre fast in einen tschechischen Kleinlaster geknallt.
„Kann sie zahlen?“, fragt der Weinbaubedarfhändler.
„Natürlich.“
„Ich habe da anderes gehört.“
„Sie liefern endlich die Kisten und Sie bekommen Ihr Geld.“
„Ich hätte es gern im Vorhinein.“
„Dann kaufen wir woanders.“
„Jetzt? Sie werden kaum mehr wo was bekommen.“
„Wenn Sie das Geschäft nicht machen wollen.“
„Ich will mein Geld sehen.“
„Wer hat Ihnen erzählt, Frau Berthold könne nicht zahlen?“
„Niemand, man hört es so.“
„Also: Wann bekommen wir die Kisten?“
Er kratzt sich am runden Kopf. „Sie kann sicher zahlen?“
„Die Bertholds haben bei Ihnen schon viel gekauft, richtig?“
„Jaaaa“, kommt es lang gedehnt.
„Sie haben immer gezahlt, richtig?“
„Ja, schon.“
„Sie werden auch jetzt zahlen.“
Er verspricht, nächste Woche zu liefern, und ich bin richtig stolz auf mich. Hoffentlich zahlt Eva wirklich so prompt, wie ich es versprochen habe.
Simon zeigt tatsächlich so etwas wie Durchhaltevermögen. Er wohnt im Keller seines Vaters, versucht ebenso früh wie die Bertholds aufzustehen, will beweisen, dass er arbeiten kann. Am Abend schläft er einige Male in der Küche ein. Wenn Martina ihn dann zu seiner improvisierten Wohnung in der
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