Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
Trauben.
Ich lerne Evas Eltern kennen. Sie helfen in erster Linie ihrem Sohn beim Nebenerwerbsweinbau, aber wenn sie Zeit haben, kommen sie nun auch nach Treberndorf. Der Vater hat ein Problem mit der Hüfte, ist schon zweimal operiert worden, will aber trotzdem nicht Ruhe halten. Evas Mutter ist eine, die nicht viel sagt, ihr größter Stolz ist, wie viel sie immer noch arbeiten kann.
Gismo wirkt, als würde sie von jeher zum Hof gehören. Sie tut, als wäre sie die Chefin hier. Reblaus hat sie es jedenfalls ein für alle Mal bewiesen.
Wir lesen den Frühroten Veltliner in die rechtzeitig gelieferten Kisten, nicht alle im Ort können damit etwas anfangen. Im Gasthaus höre ich, wie darüber gespottet wird: Da haben sie große Lesewagen, und was tun sie? Sie nehmen kleine Kisten! Der ganze Keller duftet nach Trauben und Maische. Ein intensiver Geruch, süßlich-pikant, er nimmt einem fast den Atem, es ist, mir ist, als könnte ich den Alkohol durch die Nase aufnehmen, ich fühle mich trunken, dabei beginnt die Vergärung erst. Der Traktoranhänger wird direkt in die obere Etage der Kellerhalle geschoben, von dort werden die Trauben mithilfe des Hubstaplers sofort in den Rebler, danach in die Presse und der Most von dort durch die eigene Schwerkraft in die vorbereiteten Tanks geleitet. Perfekte Kellertechnik.
Oskar sieht fasziniert zu. Dabei hält er sich sonst von allem, was mit Technik zu tun hat, so fern wie möglich. Aber vielleicht will er auch bloß seine Ruhepause verlängern, bevor es wieder in den Weingarten geht. Sein Gespräch mit dem Direktor der Kauf-Gruppe ist leider wenig erfreulich ausgefallen. Man hat die Entscheidung über die Einführung einer eigenen Qualitätsweinserie aufgeschoben. Was er allerdings herausgefunden hat: Auch bei der Kauf-Gruppe hat das Weingut Kaiser versucht, seine Mitbewerber schlecht zu machen. In diesem Fall hat sich Nicole Kaiser hinter den Werbechef des Lebensmittelkonzerns gesteckt, sie kennt ihn offenbar von diversen Society-Events. Bin ich froh, dass ich in dieser Szene nicht mehr unterwegs sein muss – oder nur mehr, wenn es mir Spaß macht. Momentan bekomme ich schon Zustände, wenn ich das Wort „Event“ nur höre. Als Frankenfeld vorgeschlagen hat, den Berthold’schen Tag der offenen Kellertür in Wine-Making-Event umzubenennen oder ihm zumindest diesen Untertitel zu geben, habe allerdings nicht nur ich protestiert.
Es hat auch ohne diese aufgeblasene Worthülse genug Kunden gegeben, die der Einladung heute nachgekommen sind: Ein Teil von ihnen ist momentan unter der Führung der Winzerin im Weingarten unterwegs und versucht sich im Weinlesen, ein anderer, der größere Teil will erst gegen Abend kommen, dann, wenn gefeiert wird.
Man merkt den Unterschied zu den anderen Tagen. Üblicherweise wird zu Mittag im Weingarten gegessen, es gibt Brot und Aufstriche, Wurst und Speck, der Großvater oder einer der Arbeiter liefern aus. Ich gebe zu: Das ist für mich der schönste Teil der Leserei, man lehnt am Wagen, rundum die Weingärten, der Duft der Trauben, die Heckklappe ist offen, auf zwei, drei Schneidbrettern ist angerichtet und jeder nimmt sich, was er mag. In Kühltaschen gibt es Wasser und Wein und Fruchtsäfte.
Heute aber ist im Hof gedeckt. Lesearbeit macht hungrig, auch wenn der Kundentrupp erst um zehn damit begonnen hat. Ich sehe zwei Männer, die wirken, als wären sie überglücklich, endlich wieder einmal Jeans tragen zu dürfen. Ein anderer macht auf rustikal: Er ist in einer Kniebundhose erschienen, wo gibt es so etwas heute überhaupt noch? Zwei der Frauen lachen und reden über den gemeinsamen Segelturn vom Sommer.
„Phantastisch, was Eva Berthold geschafft hat“, sagt eine mit einem roten Parka. Sie ist laut Martina Primarärztin.
Am Abend sollen dann sogar zwei der Japaner kommen, die im Frühling bei den Bertholds bestellt haben. Damals hat Hans noch gelebt. Auch die Partie, die vor gar nicht langer Zeit da war, um Wein zu kaufen, hat sich angesagt. Das Abendbüffet soll für siebzig, achtzig Leute reichen.
„Es läuft hervorragend“, flüstere ich Eva zwischendurch zu.
„Ich bin trotzdem froh, wenn wir morgen wieder normal weiterarbeiten können“, kommt es zurück.
Gegen acht am Abend zähle ich nicht achtzig, sondern über hundert Menschen, Eva hat natürlich auch einige aus Treberndorf eingeladen, fast alle sind gekommen. Wir stellen im Schaukeller und im ehemaligen Presshaus zusätzliche Tische auf, leider ist der Abend zu
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