Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
schon?
„Ist gut so“, zischt mir Eva Berthold zu, „jetzt stehen sie noch alle gerade.“
Sie scheint Japaner nicht besonders zu mögen.
„Man weiß nie, wie wichtig sie wirklich sind, ob und wie viel sie kaufen. Was soll’s. Wir müssen jedenfalls vorbereitet sein“, erklärt sie mir leise, offenbar hat sie meinen Blick bemerkt.
Hans Berthold spricht ein liebenwert weinviertlerisches Englisch, aber man merkt, er hat mit Präsentationen in dieser Sprache Erfahrung. Die Japaner haben einen Dolmetsch mit. Wo bleibt nur mein Fotograf?
Die ersten beiden Weine werden im Stehen verkostet, ein ganz leichter Winzersekt, bloß 10,5 Promille Alkohol, fruchtig, aber angenehm trocken. Martina reicht Minisalzstangerln herum. Als nächster Wein steht der köstliche Weinviertel DAC am Programm; zu diesem besonderen Veltliner und seiner Vermarktungsschiene sagt auch der Weinbaupräsident etwas. An seinen Händen sieht man: Er ist nicht nur Funktionär, sondern nach wie vor selber Weinbauer. Er scheint mir deutlich sympathischer, als ich ihn bisher im Radio oder Fernsehen empfunden habe, aber vielleicht liegt das daran, dass ich Politiker jeglicher Art lange nicht so mag wie Winzer. Außerdem: Dass er da den Wein eines Konkurrenten bewirbt, spricht für ihn. Das würde Bertholds Nachbar wohl nie machen.
Die Japaner setzen sich, es geht schnell, beinahe lautlos, wie beim Ballett. Den nächsten Wein, kündigt Berthold an, werde seine Tochter Martina präsentieren, er habe die Reben in ihrem Geburtsjahr, also vor sechzehn Jahren, ausgepflanzt. Ein Riesling. Martina wird etwas rot im Gesicht, ist aber sichtlich angetan von der Aufgabe. Ihr Englisch ist gar nicht übel, sie nimmt das Glas, schwenkt es, riecht, beschreibt den Duft nach Weingartenpfirsichen – ob sich die Japaner etwas darunter vorstellen können? – und exotischen Früchten, alle schnüffeln. Sie nimmt einen Schluck, behält ihn lange im Mund, schildert dann Aroma und Abgang, beschreibt die Lage des Weingartens im Ried Hüttn, spricht über die internationale Prämierung des Weines in Melbourne, den Wert eines Salonsiegers in Österreich. Die Japaner kosten wie auf Kommando zur gleichen Zeit, mit der gleichen Bewegung, nicken, besprechen sich leise.
Jetzt endlich taucht Peter auf. Die anderen beiden Fotografen sitzen schon an einem kleinen Tisch abseits, trinken und scheinen ihre Arbeit abgeschlossen zu haben. „Scheiß Stau“, erklärt Peter seine Verspätung. Um diese Zeit? Wie auch immer, er ist da. Und noch mehr Fotos werden freundlich genehmigt. Vor der Rotweinverkostung bittet man in den Barriquekeller. Jetzt weiß ich, was hinter einer der Türen im Quergang liegt: Ein sorgfältig temperiertes, trockenes Gewölbe mit einer eindrucksvollen Anzahl an Barriquefässern. Der Kellerraum steigt etwas an, an seiner Stirnseite sind die Fässer in vier Lagen übereinander geschichtet. Eva Berthold kommt mit frischen Gläsern, der Winzer nimmt einen Weinheber, geht zu einem der Fässer, zieht Wein, verteilt ihn, erzählt, wie lange dieser Cabernet noch im Fass liegen bleibe und mit welchem Wein er wahrscheinlich zum Cuvée Lissen verschnitten werde. Lissen sei eine ihrer besten Rotweinlagen, steinig, steil, aber ein wahrer Sonnenspeicher. Wenn das alles die Japaner nicht beeindruckt, dann weiß ich nicht. Ich jedenfalls bin hingerissen und der Wein schmeckt mir schon jetzt – quasi unfertig – ausgezeichnet. Berthold beschreibt, wie er mit verschiedenen Barriquefässern experimentiert. Ich wusste gar nicht, dass es da Unterschiede gibt. Von französischer Eiche und amerikanischer Eiche, sogar von slawonischer ist die Rede und von den Unterschieden, je nach Erzeuger, von verschiedener Toastung. Ob die Japaner Experten sind, ist ihnen nicht anzusehen. Jedenfalls nicken sie immer wieder, wenn übersetzt wird. Ich lerne: Je intensiver die Toastung, desto mehr vom Barriquegeschmack wird abgegeben. Bei allzu leichter Toastung überwiegen die grünen Holztöne. Berthold bevorzugt mittlere Toastung, das entspreche dem Charakter der Weinviertler Weine.
Ich spüre den Alkohol auf fast nüchternem Magen, einige der Japaner lockern die Krawatte, man bittet zum Büffet. Ab jetzt stehen alle Weine zur Nachverkostung am Tisch, jeder trinkt nach Belieben. Peter wird gebeten, nicht mehr zu fotografieren.
Hans Berthold lächelt mir zu: „Sie sind uns ein willkommener Gast, aber nun eben Gast – keine Journalistin, das ist jetzt der informelle Teil des Abends, nichts zum
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