Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
der Nähe mächtig, aber dennoch in die Hügellinie eingefügt, zum Teil sogar in den Hügel hineingebaut, das neue Kellergebäude, das ich schon von der Straße aus gesehen habe.
„Zum neuen Keller kann man von der Straße aus mit Traktoren und LKWs zufahren, der hintere Eingang liegt eine Etage höher, da steht unsere Presse. Und dort haben wir auch die Stellplätze für unsere Traktoren und Anhänger. Am vorderen Eingang liefern wir den Wein aus “, sagt Martina, „und das Tollste: Vom neuen Keller kommt man unterirdisch in diesen Keller hier, unseren alten Keller.“ Man merkt, sie ist von dem Umbau begeistert.
Auch der alte Keller, Teil der Kellergasse, ist ein Schmuckstück. Das ehemalige Presshaus, der Vorkeller, ist weiß ausgemalt, eine große Baumpresse dominiert den Raum, man sieht ihr an, dass sie schon lange bloß Ausstellungsstück ist. An den Wänden Urkunden, Fotos mit prominenten Weinkäufern und von Siegerehrungen bei internationalen Verkostungen. Eine Theke, die aus einem Baumstamm gehauen wurde, dahinter im Regal Weinflaschen aus zwanzig Jahren. Nicht nur der Weinbaubetrieb, auch die Etiketten haben sich verändert: Zuerst war darauf eine Traube abgebildet, umgeben von viel Gold, dann hat man sich für ein Aquarell entschieden, das offenbar den Weinkeller darstellt, danach für den Schriftzug „Berthold“ und seit einigen Jahren steht bloß ein großes schlichtes „B“ auf grünem oder weinrotem Grund. Die Treppe führt steil nach unten, Ausnehmungen sind elektrisch beleuchtet, erzeugen die Atmosphäre einer anheimelnden, aber auch geheimnisvollen Höhle. Hoher gewölbter Keller mit alten Holzfässern, manche reichen beinahe bis an die Decke, feucht und kühl ist es hier, so ein Weinkeller muss das ganze Jahr über die gleiche Temperatur halten, das weiß sogar ich. Eine Glaswand, mitten im Keller. Stünde die eingelassene Glastür nicht offen, man könnte die Abgrenzung glatt übersehen. Dahinter der Verkostungsraum, Teil des Kellers, aber geheizt, klimatisiert. Lange sorgfältig gearbeitete Holztische in einem hohen Quergang, in der Mitte ein großer Tisch für das Büffet, an beiden Enden des Querganges Türen, sie sind geschlossen.
Eva Berthold fegt in ihrem Dirndl hin und her, drapiert Blumen, legt Prospektmaterial auf. Das Büffet sieht tatsächlich einladend aus: Japanergerechte Winzerjause, daran könnte ich mich gewöhnen. Selbst beim Brot hat man sich etwas einfallen lassen: Neben in exakte Streifen geschnittenem Bauernbrot gibt es Minisalzstangerln.
„Kosten Sie“, fordert mich Eva Berthold auf, „wir machen sie selbst, Ana hat heute mindestens zweihundert Stück davon gebacken.“
Sie schmecken großartig, im Backen bin ich zwar eine Niete, aber ich muss Ana nach dem Rezept fragen.
Hans Berthold kommt. Er wirkt angespannt, anders als heute im Weingarten. Seine Verbeugung vor dem Klischee ist ein Trachtenanzug, er ist für mich der erste Mensch, der in so etwas gut aussieht. Lässig, als sei es ihm nicht wichtig, was er trägt, und dabei beinahe etwas melancholisch. Mira, deine Phantasie geht mit dir durch. Der schöne Winzer schimpft mit lauter Stimme in den Raum hinein: „Ich hab euch gesagt, ihr sollt die anderen Gläser nehmen. Verdammt, muss man alles dreimal sagen!“
Seine Frau sieht ihn an, dann gibt sie Vaclav Anweisung, die Gläser auszutauschen.
Weg ist der Winzer wieder. Mir ist der Vorfall peinlich, aber niemand sonst scheint ihn wichtig zu nehmen.
Dicke Kerzen werden angezündet, auf dem einen Tisch liegen Prospekte, der andere ist rustikal gedeckt. Als Appetithappen sind winzige Schwarz- und Weißbrotecken mit traditionellen Aufstrichen auf Platten angerichtet, schlicht, appetitlich.
„Wir müssen darauf achten, dass sie nicht zu schnell betrunken sind“, erklärt mir Eva Berthold.
Pünktlich auf die Minute treffen die Japaner ein, angeführt von Hans Berthold, dem Weinbaupräsidenten sowie zwei Fotografen von lokalen Medien. Bloß Peter, mein Fotograf, fehlt noch. Hoffentlich schafft er es rechtzeitig. Es ist ein exotisches Bild: Zwölf sich verbeugende Japaner im Anzug stehen einer einigermaßen kostümierten Winzerfamilie gegenüber, bloß der Weinbaupräsident trägt keine Tracht, dafür aber wenigstens eine Krawatte, auf der Reben zu sehen sind. Wo man so etwas wohl bekommt?
Faszinierenderweise ziehen tatsächlich einige der Japaner Fotoapparate aus ihren Sakkotaschen, sie knipsen und sind hingerissen, ein Gruppenfoto wird verlangt. Jetzt
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