Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
Weinbauern sind Frühaufsteher. Mira, du hast eine Reportage zu schreiben, sie muss gut werden, stehe mit den Weinbauern auf. Irgendwie komme ich aus dem Bett. Das Gästezimmer hat ein kleines Bad, sogar eine frische Zahnbürste ist da, um halb acht fühle ich mich ferngesteuert, aber sauber. Ich gehe Richtung Küche, niemand da, gehe in den Hof und weiß, was den Lärm verursacht hat: Der Hof lässt sich bei Bedarf überdachen, aber der Mechanismus scheint nicht zu funktionieren. Martina steht auf einer Leiter und weist Tomek an, es noch einmal zu versuchen. Markerschütterndes Gequietsche, die Stahl- und Glasteile rucken, bewegen sich aber nicht weiter.
„Lass“, schlägt Tomek vor.
„Das muss gehen.“
„Du machst kaputt.“
„Wenn die Eltern kommen, sagen sie sowieso, ich hab es kaputt gemacht, weil ich es probiert hab.“
„Guten Morgen“, sage ich gähnend.
„Guten Morgen. Ich soll Ihnen Kaffee machen, hat meine Mutter gesagt, sie ist nach Wien zu einer Sitzung gefahren und mein Vater ist irgendwo bei Mistelbach und schleppt Großvater ab. Der liefert nämlich den Wein in der Umgebung aus, nur dass er eigentlich nicht mehr Auto fahren sollte, weil er nicht mehr besonders gut sieht. Passiert ist ihm aber nichts.“
„Kaputt?“, frage ich und deute aufs Dach.
„Pfusch, die haben einfach schlampig gearbeitet,“, sagt Martina, „aber wir haben noch Garantie.“
„Wann steht ihr eigentlich auf?“
„Na ja, so zwischen sechs und sieben.“
Liebe Güte, das Landleben ist wirklich nichts für mich.
„Hab ich Sie aufgeweckt?“, fragt Martina interessiert und ohne jedes Schuldgefühl.
Hans Berthold und der Großvater kommen debattierend durchs Tor. Ob er sich erinnert, dass wir per du sind? Erstaunlicherweise habe ich kein bisschen Kopfweh.
„Da war ein Fleck auf der Straße, eine Ölspur, deswegen bin ich weggerutscht“, erklärt der Großvater. Es wirkt, als hätte er es schon ein paarmal erzählt.
„Quatsch, Vater, du hast einfach nicht aufgepasst.“
„Das kann einem jeden passieren – und außerdem, was willst du? Das Auto ist ganz, ich bin ganz, nur ein kleiner Ausritt ins Feld.“
„Und was, wenn du einmal unter einen LKW reitest?“
„Dann bin ich tot, ich bin alt genug. Außerdem hab ich ganz anderes überlebt.“
Hans seufzt, sieht mich.
„Mira“, ruft er und scheint tatsächlich froh, mich zu sehen. „Ich muss in den Keller, hast du Zeit? Kommst du mit?“
Nichts lieber als das. Heute ist der Himmel wolkenverhangen, dafür geht kein eisiger Wind. Der Weg durch den Hof, hinauf zur Kellergasse ist nicht weit. Hans scheint sein Pullover zu reichen, ich beschließe, auf wetter- und kältefest zu machen und wickle mich enger in meinen Blazer.
Er läuft ins Vorzimmer, kommt mit zwei Daunenjacken wieder. „Niemand hat etwas davon, wenn wir uns verkühlen.“
Dankbar schlüpfe ich hinein. Wenn ich gedacht habe, wir kehren zurück in den romantischen Keller von gestern Nacht, so habe ich mich getäuscht. Wir durchqueren ihn rasch. „Ana soll bloß nicht wieder vergessen, hier zu kehren“, murmelt Hans geschäftig, als wir durch den Verkostungsraum eilen. Dann folge ich ihm durch den Barriquekeller, durch eine Tür in der Seitenwand und schließlich einen leicht ansteigenden Gang mit Betonboden und Betondecke entlang. Der Winzer öffnet eine Metalltüre, wir stehen im neuen Keller, in einer Halle von beachtlicher Größe: Stahltanks, manche sechs, acht Meter hoch, eine Stahltreppe, die in eine Stahlplattform mündet. Sie verbindet die Tanks miteinander, führt zum zweiten Stock.
„So schaut das moderne Weinmachen aus“, sagt er und lächelt endlich wieder sein unwiderstehliches Lächeln. „Im oberen Stock steht die Presse, wir können von hinten direkt zufahren, herunten die Tanks, die Abfüllanlage und am Ende das Flaschenlager, dort bleibt es auch im Sommer recht kühl, wir haben die Halle tief in den Hügel hineingebaut.“
Wir gehen weiter, auch Tomek ist gekommen und kontrolliert gemeinsam mit Vaclav Flaschen in Zwölferkartons, sie stellen sie auf Paletten. Hans sieht auf die Uhr. „Ist das die Lieferung für die Gala? Seid ihr noch nicht fertig?“
„Gleich, Chef.“
In einem Eck des Lagerraumes ist ein kleines Büro, durch Rigipswände abgetrennt, drinnen ein Schreibtisch und ein Laptop.
„Unsere Steuerungsanlage. Die Vergärung und die Temperatur in jedem Tank sind computergesteuert.“
Er gibt ein paar Befehle ein, flucht leise, probiert es noch
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