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Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi

Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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Schreiben. Sie bleiben noch? Ich würde mich freuen.“ Ein tiefer Blick, klar bleibe ich, mir geht es blendend. Und immerhin habe ich meine Beförderung zur Chefreporterin zu feiern.
    Das Winzerehepaar und die Tochter schenken aus, der Großvater kommt, erzählt, seine Kartenrunde beim Herbst, im Dorfwirtshaus, würde er wegen so ein paar Japanern auch nicht auslassen.
    Bald weiß ich, dass Eva Bertholds Prophezeiung stimmt: Die Japaner werden immer lustiger, ziehen die Sakkos aus, essen, trinken, trinken, es wird immer später. Der Weinbaupräsident hat etwas gerötete Augen, zeigt ein milde-entrücktes Lächeln und intoniert ein altes Volkslied, zwei Japaner schlagen musikalisch zurück. Ob japanische Musik wirklich so schaurig klingt oder ob die beiden bloß nicht singen können?
    Als ich das nächste Mal auf die Uhr sehe, ist es halb drei. Die Japaner ziehen sich etwas derangiert in ihren Bus zurück, sie werden in ihr Wiener Luxushotel gekarrt. Der Weinbaupräsident umarmt uns alle innig und verabschiedet sich. Ob er noch fahren kann? Eva Berthold lächelt und gähnt. Bei ihm gehörten Abende wie dieser quasi mit zum Job, und obwohl er gleich unten im Nachbarort wohne, habe er wie immer seinen Chauffeur mit. Es sei besser, jetzt gleich zusammenzuräumen, morgen früh gehe es wieder los und Ana habe auch nicht für alles Zeit. „Wollen Sie wirklich noch nach Wien?“, fragt sie mich und sieht besorgt drein. Sollte ich eigentlich nicht. Ich bin glücklich, als sie mir das Gästezimmer anbietet. „Dafür helfe ich beim Wegräumen.“
    Jetzt stellt sich heraus, was hinter der anderen Tür des Verkostungsraums ist: eine kleine, aber voll ausgestattete Küche, eine Spülmschine für Gläser, eine für Geschirr, ein riesiger Gastronomiekühlschrank. Die Büffetreste werden verstaut, viel ist nicht übrig geblieben. Hans Berthold versorgt die angebrochenen Weinflaschen, wir räumen Teller und Gläser in die Maschine, sammeln die benutzten Servietten ein.
    „Den Rest kann Ana machen“, befindet die Weinbäuerin. Inzwischen ist es halb vier geworden.
    „Da hab ich noch einen besonders guten Tropfen“, sagt Berthold und schwenkt eine halb volle Flasche, „1993, Cuvée Lissen, einer unserer ersten großen Erfolge. Ich hoffe, die Japaner haben kapiert, was sie da getrunken haben, ich kann sie nie einschätzen.“ Er seufzt.
    „Ich gehe vor ins Haus“, sagt seine Frau.
    Ich sitze mit Hans Berthold im Keller, drei Kerzen brennen noch. Der Wein ist voll und schwer, aber wahrscheinlich ist es besser, ich wundere mich nicht laut darüber, dass so etwas Großartiges im Weinviertel wächst. Das könnte so wirken, als würde ich der Gegend und seinen Winzern wenig zutrauen.
    Die Schatten unter seinen Wangenknochen, er stößt mit mir an, lächelt mir zu, als gäbe es sonst niemanden auf der Welt, nicht einmal Japaner. „Manchmal bin ich müde“, sagt er, und sofort möchte ich ihn in die Arme nehmen und ihn trösten, den starken, erdigen, erfolgreichen Mann, der jetzt weich wird.
    Ich trinke noch einen Schluck. „Kein Wunder“, sage ich so trocken wie möglich.
    Er lächelt sein hinreißendes Lächeln. „Halten Sie mich bitte nicht für schwach“, sagt er, „es ist die Stimmung – und … Ich bin keiner, der gelernt hat zu reden, ich lass den Wein sprechen. Dieser da ist, als hätt’ ich ihn für Sie gemacht.“
    Wir stoßen noch einmal an. Mira, bleib vernünftig.
    „Ich bin Hans.“
    Ich sehe ihm in die Augen, jetzt sind sie nicht mehr hellblau, sondern dunkel wie der Himmel an einem strahlenden Märztag. Ich muss betrunken sein, dass mir so etwas einfällt. „Mira.“
    Sein Gesicht kommt näher. „Was für ein Name.“
    „Ihr sitzt ja immer noch da!“, ruft Eva vom Eingang her.
    Nicht er, sondern sie geleitet mich zum Gästezimmer. Besser so. Was ich aber träume, geht niemanden etwas an.
    Ich erwache von einem ohrenbetäubenden Getöse, verfluche den Dachbodenausbau, begreife erst dann, dass ich gar nicht in meiner Wohnung, sondern bei den Bertholds in Treberndorf bin. Was ist das? Klingt, als würde jemand einen alten Truthahn erwürgen. Ich versuche die Augen aufzukriegen und blinzle auf mein Mobiltelefon. Sieben Uhr. Wann sind wir gestern schlafen gegangen? Nicht gestern, heute. Es fällt mir nicht ein, aber lang habe ich nicht geschlafen, so viel ist mir klar. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf. Das Gekreische geht weiter. Jetzt bellt auch noch der Hund dazu. Reblaus. Sie haben Sinn für Humor.

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